„Tschick“ – Vom Buch zur Idee für eine Veranstaltung
Der Roman „Tschick“ von Wolfgang Herrndorf steht im Mittelpunkt der hier vorgestellten Veranstaltung.
Mittels Interviews und Rezensionen werden zunächst folgende Fragen geklärt:
Worin besteht die künstlerische Qualität des Buches?
Welche thematischen Schwerpunkte sind für die Veranstaltung wichtig?
In welcher Beziehung stehen die literarischen Mittel und die Veranstaltungsidee?
„Tschick“
von Wolfgang Herrndorf
Rowohlt Berlin, Berlin 2010, 254 S.
- eine Schulklasse mit Schüler*innen ab 14 Jahre
Die Veranstaltung benötigt zwei Durchführende.
- die Schüler*innen wenden vorhandenes Wissen fächerübergreifend (z.B. physikalische Gesetze) zur Lösung vom Problemen der Protagonisten des Buches szenisch an (z.B. Benzin entwenden mit Gartenschlauch aus einem Tank)
- sie erkennen Symbole und nutzen diese als Anreiz zum Als-Ob-Spiel, um sich in die Figuren hineinzuversetzen
- sie sind in der Lage, die Motive der Figuren zu deuten, zu hinterfragen und mit ihrer Lebenswelt zu vergleichen
- die Schüler*innen arbeiten gemeinsam unter Einsatz verschiedenster Problemlösungskompetenzen und erleben das wachsende Gemeinschaftsgefühl der Protagonisten auf ihrer Reise auch in ihrer Gruppe
- die Irritation einer ziellosen Reise in die „Walachei“ eröffnet den Schüler*innen neue Welten in einem Bildungsprozess ohne Eltern und Lehrer*innen
- sie finden einen emotionalen Zugang zu den Figuren, der ihnen die folgende Text-Analyse im Unterricht erleichtert
- die Schüler*innen können Fragen an den Text stellen
- sie können zum Thema/Gegenstand reflektieren
- sie können sprachliches, soziokulturelles und thematisches Wissen ggf. unter Anleitung als Hilfe beim Erschließen des Textes nutzen
- die Schüler*innen können die Perspektiven von Figuren einnehmen und Entwicklungen von Figuren beschreiben
- sie können Zusammenhänge aus ihrer Lebenswelt strukturiert darstellen und mit der Textvorlage vergleichen
- Motivieren zum Lesen des Buches
- Vergleichen der eigenen Lebenssituation mit der von literarischen Figuren
- Verstehen der Probleme und Konflikte der Protagonisten des Romans
Denkbar als:
- zusammenhängende Veranstaltung zur Bucheinführung (ca. 3,5 Stunden, mit Pause)
- mehrere, aufeinander aufbauende, kürzere Einzelveranstaltungen
Raum, in dem
- Arbeiten in kleinen Gruppen
- Bewegungsübungen
- Präsentation von Ausschnitten aus Hörbuch und Spielfilm
möglich sind.
Ideal sind mehrere Räume.
Über „Tschick“ – Komisch-beharrliches Reden über Ungesagtes
„Tschick“ erschien 2010 und lag im Frühjahr 2011 bereits in der 7. Auflage vor. Es kommen keine „Biss“e vom Morgengrauen bis zur Mitternacht vor und die Umschlaggestaltung lässt auf keinen Hype schließen. Sollte wirklich literarische Qualität Ursache des Erfolgs sein?
Das Besondere dieses Adoleszenzromanes ist die Art und Weise, wie Herrndorf seinen Ich-Erzähler eigenes und das Elend der Welt nicht verstehen, aber beharrlich darüber reden lässt. Hinter undistanziert-frech-rotzig-dissonant Dahergeredetem liegt stets Unausgesprochenes, Nichtsagbares, aber schmerzhaft Vorhandenes. Schon die Anfangssätze lassen aufhorchen, obwohl es übel riecht (zur Ergänzung: Ort der Handlung ist eine Polizeidienstelle, wo der Held nach einem Autounfall verhört wird): „Als Erstes ist da der Geruch von Blut und Kaffee. Die Kaffeemaschine steht drüben auf dem Tisch, und das Blut ist in meinen Schuhen.“
Ruckediguh, Blut ist im Schuh? So rot wie Blut, so schwarz wie …? – Fehlanzeige! Alles bedeutungsvoll Klingende wird im nächsten Satz gekippt. Hier handelt es sich um Pisse, die das Bein runterpieselt, gemischt mit dem Blut des Erzählers. Peinlich für den Erzähler, anrührend für die Leser*innen. Und in dieser Melange funktioniert der ganze Text. Herrndorf hat ein untrügliches Gespür für Reduktion. Er lässt die Dinge erzählen, redet nicht über sie, spielt gekonnt mit Gesagtem und Gemeintem. Vorwärtsdrängendes Handlungs- und Erzähltempo – eigentlich wird rückblickend erzählt – lassen dem/der Leser*in keine Chance auszusteigen. Man sitzt mit drin im geklauten Lada und kurvt mit den 14-jährigen Protagonisten durch Berlin, Brandenburg beziehungsweise die Walachei, wobei letztere nach Meinung des Ich-Erzählers Maik gar nicht existiert (für Literaturkenner*innen: Heimat von Dracula). Der abgefahrene Dialog um Existenz- beziehungsweise Nichtexistenz dieser Landschaft, wo angeblich Tschicks Großvater beheimatet ist, obwohl Tschick Russe ist, zeigt Herrndorfs sicheren Umgang mit dem Komischen. Die Helden haben null Ahnung von irgendwas, vertreten diese jedoch mit Vehemenz und werden trotzdem nie vorgeführt. Und dann blickt Maik, selbsterklärter Langweiler und Psycho, plötzlich von einer Aussichtsplattform ins Land – und Erde und Erzähltempo stehen still. Meist ballert danach gleich wieder jemand in der Gegend rum oder ein Reifen platzt, aber hier lässt es Herrndorf dabei und beendet das Kapitel. Es gäbe viele Adjektive für die Qualität dieses Textes, aber da der Autor verstärkende Adjektive meidet wie der Teufel das Weihwasser, wird auch hier darauf verzichtet.
Nominiert für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2011, Sparte Jugendbuch, ist „Tschick“ kein intendiertes Jugendbuch. Sensible Leser – gemeint sind solche jeden Alters – wissen: so ist man nicht nur mit 14, später tarnt man sich nur besser.
Claudia Rouvel in: „Der Rote Elefant“, Nr. 29, 2011
Von der Idee zur Durchführung der Veranstaltung
Wie werden Nähe und Distanz zu literarischen Figuren angeregt?
Wie werden Als-Ob-Situationen für das Verständnis von Handlung und Figuren genutzt?
Wie wird der dramaturgische Rahmen der Veranstaltung entwickelt und eingesetzt?
In Veranstaltungsmitschnitten, Fotos, Interviews und Zitaten von Beteiligten sowie in einem Erklärfilm wird deutlich, wie die Idee umgesetzt wurde und welche Wirkungen bei den Schüler*innen zu beobachten waren.
(K)Einer wie wir – Wie werden Nähe und Distanz zu literarischen Figuren angeregt?
Erfahrungen auf Augenhöhe – Wie werden Als-Ob-Situationen für das Verständnis von Handlung und Figuren genutzt?
Von Erwartungen und Erfahrungen – Wie wird der dramaturgische Rahmen der Veranstaltung entwickelt und eingesetzt?
Vom Anschauungsmaterial in die Unterrichtspraxis
Wie lässt sich das Veranstaltungskonzept in den Schulalltag integrieren?
Wie unterstützen Als-Ob-Situationen das Textverständnis?
Welches Potenzial bietet das Vorlesen in höheren Klassenstufen?
Eine Berliner Lehrerin berichtet aus ihrer eigenen Veranstaltung und stellt Ideen zur Weiterarbeit vor.
Erfahrungen aus dem Transfer
Weiterführende Ideen
Einladung zum Ausprobieren – Das interaktive Quiz
Machen Sie mit!
Um am Mittagstisch der Familie Fröhlich einen möglichst großen Nachtisch zu erhalten, mussten folgende Fragen schnell und richtig beantwortet werden. Maik und Tschick stellte diese Aufgabe vor einige Probleme. Wie würden Sie abschneiden?
Downloadmaterialien
Sie haben Lust, dieses Veranstaltungsformat zu „Tschick“ selbst umzusetzen?
Hier finden Sie das nötige Material:
Lassen Sie sich weiter inspirieren ...
Sie interessieren sich für weitere Veranstaltungsformate aus dem Kunstlabor Literatur?
Hier finden Sie alle Formate auf einen Blick.
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