Freie Stückentwicklung – Wie eine Theaterproduktion gemeinsam mit Schüler*innen entsteht
Wie gelingt es, gemeinsam mit Schüler*innen ein eigenes Stück zu entwickeln?
Zwei Lehrerinnen einer Hamburger Schule haben sich gemeinsam mit dem Ernst Deutsch Theater und einer erfahrenen Theaterpädagogin auf den Weg gemacht, das zu lernen.
Ihre zwei Klassen – eine fünfte und eine siebte – arbeiteten zum Spielzeitthema „Freiheit“: Die siebte Klasse befasste sich mit dem Unterthema „Nichteinhaltung von Kinderrechten“, die fünfte entwickelte ein Stück zum Thema „Mut und Angst“.
Die Lehrerinnen wurden in ihrer Arbeit begleitet durch Fortbildungen, Hospitationen und Coachings des Partnertheaters. Aus dem Prozess heraus ist dieses crossmediale Lehrbuch entstanden – mit vielen Tutorials, Aufgaben und praktischen Tipps und dem Ziel, Sie dabei zu unterstützen, eine freie Stückentwicklung selbständig umzusetzen.
Konzeption, Planung und Umsetzung einer individuellen Stückentwicklung zu einem Oberthema.
Wöchentlicher Theaterunterricht über ein Schuljahr mit einem gemeinsamen Abschluss in Form einer Werkstattpräsentation mit Schüler*innen-Feedback.
Es können auch mehrere Lerngruppen gleichzeitig zu demselben Oberthema arbeiten.
- Schüler*innen übernehmen Verantwortung in einem theatralen Prozess und bringen ihre individuellen Talente ein
- Lehrer*innen und Schüler*innen entwickeln gemeinsam eine freie Theaterproduktion
Theaterkurs der Mittelstufe oder der Oberstufe, begleitet durch eine Theaterlehrkraft und/oder eine/n Theaterpädagog*in
- die Schüler*innen können Spielkonzepte erarbeiten, indem sie nicht-dramatische Vorlagen oder Biografisches aus ihres Lebenswelt sammeln, umformen und inszenieren
- dazu nutzen sie die Unterstützung der Theaterpädagog*innen, um mit sinnlichen Impulsen ihre Kreativität zu entfalten und ins Spiel zu kommen
- sie nehmen sich innerhalb eines abgesteckten Rahmens Freiheit und Zeit zur Entwicklung ihres Stückes
- die Schüler*innen fassen im geschaffenen Freiraum von Ort und Zeit Vertrauen zur Lehrperson und zueinander
- sie nehmen Theater als Interaktion zwischen den theatral Handelnden wahr und geben sich Feedback
- sie begreifen Theater im Kontext aktueller gesellschaftspolitischer Ereignisse und Themen (Identität, Rechte von Kindern) und setzen sich damit auseinander
- sie erfahren sich als wirkmächtig und wertgeschätzt bei der freien Entwicklung ihrer eigenen Inszenierungen
- die Schüler*innen verfolgen ihr Ziel mit Ausdauer
- sie planen und gestalten Präsentationsformen
- sie wenden Objekte, Requisiten und deren Funktion an
- sie nutzen und entwickeln den Raum und Raumkonzepte
- sie reagieren auf Spielimpulse durch andere
- sie bewegen sich bewusst Zuschauer*innen- und Mitschüler*innenbezogen
- sie nutzen ihre Stimmen zum Ausdruck von Gefühlen und Botschaften
je nach gewünschter Intensität über ein halbes oder ein ganzes Schuljahr umsetzbar
Zusammenarbeit einer Theaterlehrerin/eines Theaterlehrers mit einer Theaterpädagog*in des Partnertheaters (hier: das Ernst Deutsch Theater Hamburg)
Wenn mehrere Lehrer*innen involviert sind, ist zusätzlich ein*e Koordinator*in sinnvoll.
Was reizte das Team an der freien Stückentwicklung?
Schritt für Schritt zum eigenen Stück
Im Rahmen der gemeinsamen Theaterarbeit definierte das Projektteam vier zentrale Fragen, die sich auch als Arbeitsphasen beschreiben lassen – sowie eine Frage, die für alle Phasen von Bedeutung ist:
- Recherche: Wie finde und entwickle ich ein spannendes Thema für die Inszenierung?
- Grundlagen: Wie gelingt es, mit den Schüler*innen ins Spielen zu kommen?
- Sammlung: Wie entwickle ich gutes Szenenmaterial für das Stück?
- Zusammensetzen: Wie gelingt es, aus vielen einzelnen Bausteinen ein Stück zu entwickeln?
- Und eine zentrale Frage für alle Phasen: Wie vermittle ich meinen Schüler*innen ein erweitertes Verständnis von Theater?
Kurze Erläuterung zu den Arbeitsphasen
Um den Prozess zu verstehen, ist es hilfreich, ihn in vier Phasen zu betrachten. Grundsätzlich sind die Übergänge jedoch fließend.
Die besondere Herausforderung besteht darin, das Projekt strukturiert vorzubereiten, aber gleichzeitig so viel Freiraum wie möglich für die Impulse und Ideen der Klasse zu lassen.
Damit die Schüler*innen sich überhaupt einbringen können, brauchen sie:
- Vertrauen in die Lehrperson und die Gruppe
- Ein Thema, zu dem sie etwas zu sagen haben und das sie interessiert
- Einen klar abgesteckten Rahmen, in dem sie arbeiten und forschen können
- Sinnliche Impulse wie Musik und inspirierende Textpassagen oder beispielhafte Inszenierungen, die sie sich anschauen können
1. Phase: Wie finde und entwickle ich ein spannendes Thema für die Inszenierung?
Über Themenfindung, Spielimpulse und die Strukturierung der Ideen
Die Themenfindung ist das Herzstück einer jeden freien Theaterproduktion. Deshalb ist es wichtig, für die Suche und die Ausarbeitung eines Themas und möglicher Unterthematiken ausreichend Zeit einzuplanen.
Erfahrungsgemäß trägt eine gute Vorbereitung den gesamten theatralen Prozess mit den Schüler*innen.
Im Rahmen der Recherchephase sollten folgende Dinge passieren:
- Kernthema und Titel finden
- Spielimpulse suchen und vorbereiten
- Rechercheergebnisse in konkrete Forschungs- und Arbeitsaufträge für die Schüler*innen umwandeln
Tipp: Grundsätzlich lassen sich all diese Schritte auch gemeinsam mit Schüler*innen umsetzen! Planen Sie aber genug Zeit ein, denn erfahrungsgemäß benötigt besonders der Prozess des selbständigen Forschens viel Zeit.
1.1. Kernthema und Titel finden
Es gibt verschiedene Möglichkeiten der Themenfindung (siehe hierzu auch das Downloadmaterial zur Ideen- und Themenfindung in „Kooperationen gestalten und aufbauen“).
In diesem Beispiel hat sich die Fachschaft Theater gemeinsam mit dem Partnertheater dazu entschlossen, zum Spielzeitthema des Theaters zu arbeiten: „Freiheit“.
Die Lehrerinnen überlegten sich in einem Brainstorming, welche Aspekte des Themas sie im Hinblick auf die Schüler*innen interessieren könnten. Dadurch entstanden persönliche Unterthematiken. Die Theaterlehrerin Severine Henning wollte gerne zum Thema „Nichteinhaltung von Kinderrechten und Machtmissbrauch“ arbeiten. Die Lehrerin Birte Kasten wählte für ihre fünfte Klasse die Fragestellung: Wie viel Mut braucht es, eine freie Entscheidung zu treffen?
Tipp: Wichtig ist, dass das Oberthema möglichst offen ist und unterschiedlichste Fragestellungen zulässt.
1.2. Spielimpulse finden und vorbereiten
1.3. Umwandlung der Rechercheergebnisse in konkrete Arbeitsschritte
Wenn der Arbeitstitel und die ersten Ideen für Objekte, Text, Musik, Choreografie oder die Gestaltung des Raumes stehen, geht es darum, die gestalterischen Ideen mit den Inhalten zusammenzubringen. Das Ziel ist nun, aus der Sammlung von Möglichkeiten und Einzelideen einen Spielrahmen zu entwickeln.
Konkrete Forschungsaufträge helfen bei der Gliederung und Ausgestaltung der einzelnen Unterrichtseinheiten. Die Lehrerin Severine Henning hat ihre Schüler*innen beispielsweise zum Thema „Versteckte Gewalt gegen Kinder“ forschen lassen. Die Schüler*innen befragten sich und andere Kinder zu ihren Erfahrungen. Aus den Ergebnissen entstand eine Textgrundlage für die szenische Arbeit. In der Kombination mit einem passenden Material aus der Objektsammlung (in diesem Fall eine große Tonne voller Papierknäuel) entstand dann ein neues Experimentierfeld mit Text und Objekt, in dem die Schüler*innen zu ihrem Text verschiedene Einsatzmöglichkeiten des Objektes ausprobiert haben.
Tipp: Oft entwickeln die Schüler*innen gerade dann interessante eigene Ergebnisse, wenn diese nicht so explizit abgefragt werden. Deshalb ist auch die gezielte Auswahl der Übungen für die Aufwärmphase wichtig für die szenische Arbeit.
Der Prozess des Forschens braucht viel Zeit
2. Phase: Wie gelingt es, mit den Schüler*innen ins Spielen zu kommen?
Über die Bedeutung von Grundlagenarbeit und Schüler*innen-Feedback für die Stückentwicklung
2.1. Die Verbindung von Grundlagenarbeit und szenischem Spiel
Die Grundlagenarbeit wird als gezielter Einstieg ins inhaltliche Arbeiten oft unterschätzt. Damit für die Schüler*innen ein sinnstiftender Zusammenhang zwischen Übungen und Stückentwicklung entsteht, sollten Grundlagenarbeit und Szenenentwicklung möglichst ohne Pause fließend ineinandergreifen. Das gelingt, wenn die gesamte Übungseinheit eine inhaltliche Ausrichtung hat, der alle Arbeitsaufträge und Theaterübungen zuarbeiten.
Wenn beispielsweise das Thema Macht und der Schwerpunkt räumliche Auseinandersetzung für eine Unterrichtseinheit gewählt werden, können die Schüler*innen durch eine gezielte Auswahl der Übungen wie etwa Statusspiele, Raumformen, „Einer gegen alle, alle gegen einen“, Vertrauensübungen, Missbrauch von Vertrauensübungen, … spielerisch in das Forschungsfeld eingeführt werden.
Um den Übergang zwischen Grundlagen- und szenischer Arbeit möglichst fließend zu gestalten, ist es wichtig, alles schon vor Ort zu haben, was für die spielpraktischen Aufgaben benötigt wird (Materialien, Musik, …).
Auch der Raum sollte bereits so konzipiert sein, dass es keinen Umbau zwischen Warm-up und Spielszenen geben muss. Erst danach sind Pausen gut, um über die entstandenen Szenen zu reflektieren.
2.2. Mit Schüler*innen Regieentscheidungen treffen
3. Phase: Wie entwickle ich gutes Szenenmaterial für das Stück?
Über Experimentieren und Sammeln im theatralen Prozess
Schon während der Grundlagenarbeit entstehen erste Szenen, Spiele mit Requisiten, Tanz- oder Textimprovisationen. In einem spielerischen Prozess werden verschiedene Inszenierungsideen ausprobiert, einiges wird verworfen, einiges weiterentwickelt. Wichtig ist, bei allem Experimentieren nie den Inhalt aus dem Blick zu verlieren: Was genau soll erzählt werden und warum?
Viele spannende Ideen entstehen zwischen den Stunden. In gemeinsamen Pausen oder im Anschluss an den Unterricht in Nebengesprächen erzählen die Schüler*innen oft eher, was sie denken und was sie bewegt. Vieles davon kann inspirierend sein für die weitere Arbeit und den kommenden Stundenaufbau.
Manchmal lohnt es sich, ganz individuelle Schreibaufträge an einzelne Schüler*innen zu vergeben, die über eine wichtige Thematik gesprochen haben.
3.1. Regie führen
- Impulse der Gruppe wahrzunehmen und weiterzudenken,
- Beobachtungen von außen zurück in die Gruppe zu geben,
- gezielt Spielimpulse und Arbeitsaufträge als Reaktion auf das Geschehen im Unterricht vorzubereiten,
- die Schüler*innen herauszufordern und sie zum Beispiel mit Theatermethoden oder Inhalten vertraut zu machen, die sie noch nicht kennen und damit ihr Sprachrepertoire zu erweitern.
3.2. Vertiefung der Textarbeit
Gute Texte als Grundlage für das Stück oder als Inspiration für das eigene Schreiben zu finden, erfordert eine breitgefächerte Suche. Oft eignen sich Auszüge aus:
- Liedtexten oder Gedichten
- Stücken oder Romanen
- Zeitungsartikeln oder Interviews
- Chatverläufen
Innere Bilder und Subtexte: Für eine gute Umsetzung der Texte, ist es besonders wichtig, mit den Schüler*innen an der Sprache zu arbeiten. Zum einen geht es dabei um die inhaltliche Auseinandersetzung mit Texten und die Frage nach dem, was erzählt wird, und zum anderen um die geeignete Form und Betonung in der Umsetzung.
„Innere Bilder“ unterstützen die Schüler*innen während des Sprechens. Durch die Arbeit mit Subtexten werden sie herausgefordert, unterschiedliche Sprecharten eines Textes auszuprobieren (siehe hierzu auch das Tutorial-Video Text weiter oben).
Unterschiedliche Textlängen: Kleine Dialoge oder Textfragmente eignen sich besonders, um in die Textarbeit einzusteigen. Man kann längere Texte auch auf verschiedene Personen verteilen oder chorisch sprechen. In der Arbeit mit längeren Texten eignet sich als Einstieg auch die „ungefähre freie Interpretation“ des Inhalts. Auch aus Spiel-Improvisationen lassen sich Texte entwickeln und verschriftlichen.
Mut zum Eigenen: Die Methode des Minidramas ist eine gute Vorlage für eigene Textarbeit. Es ist auch interessant, aus Texten von Schüler*innen eine Textvorlage zu erstellen oder aus einzelnen Sätzen der Schüler*innen einen neuen Text zu schreiben.
4. Phase: Wie gelingt es, aus einzelnen Bausteinen ein Stück zu entwickeln?
Über die Bedeutung von Musikalität beim Zusammensetzen der Szenen
Ziel einer theatralen Collage sollte sein, dass sich aus der Komposition der gemeinsam entwickelten Unterthematiken ein größerer Sinnzusammenhang ergibt.
Geht es in der einen Szene beispielsweise um das Thema Unterwerfung und in der darauffolgenden um Wünsche, wird allein durch die Komposition eine Geschichte erzählt.
Diese Phase ist wie ein Nadelöhr, durch das alle gemeinsam durch müssen, bevor sich nach einem oft herausfordernden Prozess am Ende das Stück zeigt.
Um eine gezielte Auswahl der Szenen für das Stück treffen zu können, ist es wichtig, eine Reihenfolge festzulegen. Schritt für Schritt werden dann die Übergänge sowie Anfang und Ende der Inszenierung gestaltet. Dabei ist es wichtig, den roten Faden, dem die Erzählung folgen soll, nicht aus dem Blick zu verlieren.
Folgende Schritte helfen, aus dem szenischen Material ein Stück zu formen:
- Erzählung festlegen
- Anfang und Ende entwickeln
- Dynamik im Stück überprüfen
- Verknüpfung der Szenenbilder
- Einen Abschluss finden
4.1. Erzählung festlegen
Bei der Entwicklung der Szenenabfolge hilft die Visualisierung in Form eines Zeitstrahls, der in drei oder mehr Abschnitte eingeteilt wird. Die Details der einzelnen Szenenbilder werden unter einem passenden Titel auf Karteikarten geschrieben. Anhand der Karteikarten wird ein erster möglicher Aufbau des Stückes skizziert, indem einzelne Szenen eher an den Anfang, in die Mitte oder an das Ende gelegt werden.
Allgemein ist ein erster gelegter Ablauf meist nicht endgültig. Er dient dazu, das anzuschauen, was bereits erzählt wird. So lassen sich inhaltliche Lücken in der Erzählung erkennen, die Impulse für die weitere Szenenentwicklung geben. Auch die Dynamik des Stückes und die Nutzung der Spielräume lassen sich gut überprüfen: Kommt Musik zum Einsatz? Wird mit Requisiten gespielt? Gibt es choreografische oder filmische Elemente?
4.2. Anfang und Ende festlegen
Ein durchgängiges Prinzip des Postdramatischen Theaters ist die Enthierarchisierung der Theatermittel. […] Im Postdramatischen Theater werden die Elemente nicht in eindeutiger Weise verknüpft. […] Der Zuschauer des postdramatischen Theaters wird nicht zur sofortigen Instant-Verarbeitung veranlasst, sondern zum aufschiebenden Speichern der Sinneseindrücke mit „gleichschwebender Aufmerksamkeit”.
Bernd Stegemann: Lektionen 1: Dramaturgie. Berlin: Theater der Zeit 2009
Im Postdramatischen Theater kann ein Stück einen freien Erzählstrang haben, in dem einzelne Elemente miteinander verknüpft oder in einen Zusammenhang gestellt werden, ohne sie auszuerzählen. Es gibt keinen Anspruch auf Linearität des Erzählens. Anfang, Höhepunkt und Ende sind also viel freier zu verstehen als in klassischen Erzählformaten. Trotzdem hilft es, sich bei der Stückentwicklung mit Anfang, Höhepunkten und Schluss zu befassen. Der dramaturgische Aufbau einer künstlerischen Arbeit ohne lineare Erzählstruktur ist dann wie eine zu füllende Fläche aus Themen, Bildern und Texten, die erst durch das Zusammenfügen eine inhaltliche Ausrichtung erhält.
4.3. Dynamik im Stück überprüfen
Insbesondere dann, wenn sich die Dreiteilung Anfang, Höhepunkt, Ende nicht ergibt und keine nachvollziehbare Geschichte entsteht, lässt sich über die Dynamik der einzelnen Szenen ein Spannungsbogen bauen. Dabei hilft es, den Erzählstrang wie ein Musikstück anzuschauen: Gibt es laute, leise, sanfte, wilde, traurige, fröhliche Szenen oder sind sie von der Dynamik sehr ähnlich? Ein guter Spannungsbogen entsteht beispielsweise durch abrupte Wechsel zwischen ruhigen oder wilden, lauten oder leisen Szenen, oder die gezielte Kombination von Einzel- und Gruppenszenen.
4.4. Verknüpfung der Szenenbilder
Wie immer in der Kunst gibt es bei Entscheidungen kein Richtig und kein Falsch und dementsprechend auch kein Geheimrezept für eine vernünftige Aneinanderreihung der Szenen. Für den Fluss des Stücks ist es wichtig, das Publikum spielerisch von einer Szene in die nächste zu führen.
Dabei sind folgende Dinge zu beachten:
Es hilft, sich die End- und Anfangsbilder der Szenen sowie die Ab- und Auftritte der Schüler*innen gezielt anzuschauen und zu überlegen, wie ein guter Übergang aussehen kann. Folgende Fragen können hierbei helfen: Wo stehen die Schüler*innen am Ende der Szene, wo am Anfang der nächsten? Welches Element eignet sich gleichzeitig als Endpunkt für die eine und als Startpunkt für die andere Szene?
Tipp: Oft helfen Gruppenbilder, die Übergänge fließender zu gestalten. Auch Musik hilft bei der Gestaltung von Übergängen, beispielsweise wenn es darum geht, bereits für die nächste Szene eine Stimmung einzuführen.
Durch die Bespielung von vielseitig einsetzbaren Bühnenelementen oder Requisiten – wie beispielsweise Rindenmulch auf dem Boden – entstehen Ideen für spielerische Übergänge. Zu einer dialogischen Szene könnte beispielsweise eine Gruppe von Schüler*innen hinzukommen, die sich mit dem Rindenmulch bewirft. So entstehen Gruppenbilder, die gleichzeitig als Hintergrund für die nächste Spielszene funktionieren.
Hier geht es um Gleichberechtigung auf der Bühne. Die Verknüpfung der Szenen ist eine gute Möglichkeit, zusätzliche Spielparts zu erfinden. So kann der Teil der Gruppe, der am Spielgeschehen nicht beteiligt ist, im Hintergrund in die szenischen Bilder integriert werden.
Es ist immer ein schwieriger Moment, sich von Einzelsequenzen zu trennen, aber wichtig ist, dass ein schlüssiges Gesamtbild entsteht. Manchmal passen einzelne Bilder einfach nicht mehr. Oft entsteht der Fluss in den Übergängen tatsächlich erst durch das Weglassen bestimmter Dinge.
4.5. Einen Abschluss finden
Aufführungen sind ein wesentlicher Teil der Theaterarbeit, denn das Theatererlebnis wird erst in einer Bühnensituation mit Publikum richtig spürbar. Nur dann können die Schüler*innen sich wirklich zeigen und das Stück wird in seiner Gänze sichtbar und erfahrbar. Dieser Schritt in die Öffentlichkeit wird oft als Wagnis empfunden, ist aber immer empfehlenswert.
Aufführungsformate: Auch wenn der Prozess gefühlt mal nicht optimal gelaufen ist, lassen sich aus jeder Forschung erzählerische Strukturen herausarbeiten. Je nach Gruppe können die Stücke ganz unterschiedlich lang sein und ganz unterschiedliche Aufführungsformate füllen. Auch eine Interaktion während einer Schulpause, eine zehnminütige Choreografie oder eine Werkstattpräsentation vor der Parallelklasse ist ein würdiger Projektabschluss, wenn er zum Stand der Arbeit passt. In vielen Schulen existieren Formate, in denen verschiedene Klassen nacheinander kurze Präsentationen zeigen können, sodass eine einzelne Aufführung nicht abendfüllend sein muss.
5. Wie kann man Schüler*innen ein erweitertes Verständnis von Theater vermitteln?
Über ein konservatives Theaterbild und die Chance, dieses durch eine freie Stückentwicklung aufzubrechen
5.1. Die Bedeutung der Präsentation für das Verständnis von theatralen Prozessen
Die freie Arbeit geht von den Erfahrungen und Geschichten der Kinder und Jugendlichen aus. Hier haben sie die Möglichkeit, etwas von sich zu erzählen. Die Form der Stückcollage ist aber für die meisten Schüler*innen erstmal fremd. „Wann machen wir richtiges Theater?“, wird häufig gefragt, obwohl sie eigentlich schon mittendrin sind im theatralen Prozess.
In ihrem Verständnis von Theater sind viele Schüler*innen eher konservativ geprägt. Sie wünschen sich klare Rollen und eine spannende Textvorlage, die sie dann auf der Bühne umsetzen. Nicht genau zu wissen, wie die eigene Rolle oder die Handlung des Stückes sein wird, verunsichert viele.
Für das Verständnis von freier Theaterarbeit ist die Präsentation am Ende des Prozesses zentral. Denn erst hier wird deutlich, wie die einzelnen Elemente zusammenspielen und einen Sinn ergeben.
5.2. Schüler*innen im Prozess gut mitnehmen
Los geht's!
Um einen solchen Prozess an der eigenen Schule zu initiieren, ist es wichtig, eine Theaterpädagogin oder einen Theaterpädagogen zu finden, die oder der bereits viel Erfahrung in der freien Stückentwicklung hat – und Lust, diese weiterzugeben.
Je nach Erfahrungsstand der beteiligten Theaterlehrer*innen macht es Sinn, erst einmal bei einer freien Stückentwicklung zu hospitieren oder zu assistieren. Hierfür eignet sich auch sehr gut ein Projektwochenformat, in dem die Phasen zwar verkürzt sind, dafür aber der Gesamtprozess sehr gut sichtbar wird.
Das vorliegende Material hilft bei der Gliederung der Arbeit, ersetzt aber nicht ein Gegenüber in der Theaterarbeit. Ein erfahrener Blick von außen hat sich als sehr hilfreich herausgestellt und sollte bei der Konzeption auf jeden Fall mitgedacht werden!
2. Prozessbegleitung durch das Partnertheater
Downloadmaterial
Um die Arbeit an eigenen Projekten zu erleichtern, finden Sie im Folgenden alle Aufgaben und Texte aus dem Lehrbuch in dem Skript „Freie Stückentwicklung“ zusammengefasst, ergänzt durch eine Word-Vorlage für eine Karteikarte zur Ordnung und Überprüfung der Szenenabfolge. Außerdem haben wir für Sie einen Phasenplan entwickelt, in dem sowohl die einzelnen Projektphasen zeitlich verortet sind, als auch mögliche Schritte der Begleitung.
Weiter oben auf der Seite (unter „1. Phase“) finden Sie die fünf, extra für dieses crossmediale Lehrbuch entwickelten Tutorials zu den Themen Choreografie, Objekt, Raum, Text und Musik. In ihnen zeigt die Theaterpädagogin Gesche Lundbeck zusammen mit der 7. Klasse aus dem Projekt, welche Möglichkeiten diese Spielräume bieten und wie sie sich gemeinsam mit Schüler*innen gestalten lassen.
Wir wünschen Ihnen viel Erfolg beim Selbermachen!
Interessieren Sie sich auch für fächerübergreifende Theaterarbeit?
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