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Idee
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3. Qualitätsbereich: Der künstlerische Prozess

Haben sich engagierte und interessierte Partner*innen für die künstlerische Arbeit an Schulen gefunden und zusammengeschlossen, stellt sich die Frage nach der Durchführung und Umsetzung des künstlerischen Prozesses:

Wie soll gearbeitet werden und was ist wichtig bei der Ausgestaltung der Zusammenarbeit zwischen Schüler*innen, Lehrpersonen und Kunst- und Kulturschaffenden?

Wie und mit welchen Strategien lässt sich der künstlerische Prozess anleiten und umsetzen?

Oft ist noch unklar, worum es konkret thematisch gehen könnte und wie der künstlerische Umgang mit dem gewählten Thema oder Gegenstand im Anschluss aussehen soll.
Sind externe Kunst- und Kulturschaffende beteiligt, werden diese das eigene künstlerische Profil, Themenschwerpunkte und Arbeitsweisen mit einbringen. Auch curriculare Anforderungen spielen eine Rolle. Die Prozessgestaltung erhält somit eine zentrale Bedeutung für das Gelingen der Zusammenarbeit.

Künstlerisches Arbeiten ist ein sehr persönlicher und subjektiver Prozess. Ob die in Kurzform hier oder im Buch „Kunstlabore: Für mehr Kunst in Schulen!“ ausführlicher beschriebenen Erfahrungspotenziale für die Schüler* innen zum Tragen kommen, hängt zu einem nicht unwesentlichen Teil von den einzelnen Schüler*innen selbst ab, ihrem persönlichen Zugang zu künstlerischer Arbeit und der Bereitschaft, sich darauf einzulassen.
Die bewusste Gestaltung des gemeinsamen Prozesses trägt jedoch in großem Maße dazu bei, die Chancen dafür zu erhöhen.

Für eine qualitätsvolle Umsetzung bedarf es eines Zusammenspiels aus ...

1. Künstlerische Strategien 

Welche künstlerischen Strategien eignen sich für die Arbeit mit Schüler*innen und wie können diese angewandt werden?

Künstlerisches Arbeiten in Schulen wird von Kunst- und Kulturschaffenden, Lehrer*innen und Schüler*innen gemeinsam gestaltet. Dieser Arbeit zugrunde liegt ein Kunstverständnis, das durch ein enges Zusammenrücken von künstlerischer Produktion und Rezeption in einem sozialen Prozess geprägt ist.

Im Zentrum der künstlerischen Arbeit mit Schüler*innen steht im Idealfall der Dreiklang aus sinnlicher Wahrnehmung (Rezeption), dem Verstehen beziehungsweise der kognitiven Auseinandersetzung mit den Inhalten und Themen (Reflexion) und, drittens, dem eigenen aktiven Ausdruck, der eigenen Gestaltung (Produktion). Dabei spielt der Einbezug der Sinnlichkeit und Körperlichkeit in die Erfahrung eine wesentliche Rolle.

Kunst- und Kulturschaffende verfolgen in diesem Prozess verschiedene künstlerische Strategien. Diese Praktiken ermöglichen Schüler*innen Perspektivwechsel, schärfen ihre Wahrnehmung und regen ihre Experimentierfreude und Fantasie an. So werden die Schüler*innen darin bestärkt, ihre individuellen Ausdrucksformen zu finden.

Nachfolgend werden acht künstlerische Strategien vorgestellt, die im Kunstlabore-Programm wiederholt angewandt wurden und sich zur Übertragung auf eigene Projekte eignen.
Wichtig ist dabei jedoch anzumerken, dass die Gestaltungskraft der Strategien oft im Zusammenspiel der verschiedenen Ansätze liegt. Die hier in den Blick genommenen künstlerischen Praktiken sind daher nicht zwingend chronologisch und getrennt voneinander zu verstehen, sondern lassen sich kombinieren. Vertiefende Erläuterungen finden Sie wie immer in unserer Publikation „Kunstlabore: Für mehr Kunst in Schulen“.

Recherche als Inspirationsquelle und zur Vertiefung anwenden

Zu Beginn eines gemeinsamen künstlerischen Projekts kann eine Recherche Sinn machen, um Verständnis für das Thema, den Gegenstand, eine bestimmte Arbeitstechnik oder Materialien zu schaffen. Die Recherche und der gemeinsame Austausch darüber können als Impulsgeber und Inspiration für eigene Ideen in der weiteren Arbeit dienen. Die Recherche öffnet einen gemeinsamen Denkraum und ermöglicht es Kunst- und Kulturschaffenden und Schüler*innen, im Austausch über diese Wissensbasis ein Verständnis füreinander zu entwickeln. Auf diese Weise kann in der Gruppe ein Konzept entwickelt werden, das die Interessen der Schüler*innen und die künstlerischen Möglichkeiten in Einklang bringt.
Ein Beispiel der Anwendung:

Beispielprojekt: Zorro, Identität und Graffiti

An der Gesamtschule Lohmar arbeitete die Künstlerin Mona Kakanj im Rahmen einer wöchentlichen Werkstatt ein halbes Jahr lang mit Schüler*innen der 8. und 9. Klasse zusammen. Das Thema war frei wählbar und die Gruppe entschied sich nach einer gemeinsamen Recherche, mit Graffiti zu arbeiten. Zusammen schauten sich die Schüler*innen und die Künstlerin Dokumentarfilme über Street Art an. Mona Kakanj sprach mit den Jugendlichen in den ersten Sitzungen viel über die Erscheinungsformen, die Geschichte und die politischen Ansätze von Street Art und Graffiti. In ihren Diskussionen entdeckten die Künstlerin und die Schüler*innen zusammen das Thema der Identität, das beispielsweise durch die Schaffung eines Künstlernamens und die Anonymisierung der eigenen Person Bedeutung bekommt. Auch in der eigenen Arbeit von Mona Kakanj spielt das Thema der Identität eine wichtige Rolle.

Das Projekt wurde mit verschiedenen Formaten und Methoden umgesetzt: Mona Kakanj behandelte mit den Schüler*innen Techniken wie Plakatierung, Schablonen, Sprayen und Freihandmalen. Nach fast jeder Sitzung schaute die Gruppe die Arbeiten zusammen an und sprach über gelungene und nicht gelungene Aspekte in den künstlerischen Prozessen.

Lücken und Leerstellen produktiv nutzen

Das bewusste Arbeiten mit Lücken und Leerstellen regt Kinder und Jugendliche dazu an, eigene Interpretationen zu erschaffen und Geschichten zu erzählen, in die ihre persönliche Lebenswelt und -erfahrung einfließen können und durch die diese sichtbar werden.

In einem Projekt des Kunstlabors Literatur bildet eine Leerstelle den Ausgangspunkt für die Beschäftigung mit Literatur und Sprache:

Beispielprojekt: Sprache mit Bildern entwickeln – „Die ganze Welt“

Grundlage ist das Bilderbuch „Die ganze Welt“ (2001) von Katy Couprie und Antonin Louchard mit über 200 ganzseitigen Abbildungen unterschiedlicher Gegenstände, Lebewesen, Landschaften und Muster. Die scheinbare literarische Leerstelle – der fehlende Text – ist Kern zahlreicher Möglichkeiten, die dieses Buch zur kreativen Auseinandersetzung mit Sprache bietet.

Zu Beginn des Prozesses werden die Bilder einzeln, gut sichtbar und willkürlich im Raum aufgehängt. Mit dieser Bilderwelt kann nun auf unterschiedlichste Weise weitergearbeitet werden. Um Assoziationen und spontane Einfälle werden Wortfolgen, Sätze oder Geschichten gesponnen.
Der Kreativität der Schüler*innen und Lehrer*innen sind keine Grenzen gesetzt.

Gegebenes in andere Sinnzusammenhänge transformieren

Transformation im Sinne künstlerischer Strategien meint, Inhalte umzuwandeln oder umzuformen, sie in ein anderes künstlerisches Medium oder auch in andere Sinnzusammenhänge zu überführen. Kinder und Jugendliche können durch das Experimentieren mit der Ausdrucksform ihren individuellen Ausdruck für Themen und Inhalte finden und sich so auf eine neue Art und Weise äußern, die ihnen bisher nicht vertraut war. Was das bedeuten kann, zeigt sich in einem Beispiel aus dem Kunstlabor Bildende Kunst:

Beispielprojekt: Bazooka trifft Malewitsch

Die Alexander-Coppel-Gesamtschule in Solingen stellte der Medienkünstlerin Magdalena von Rudy für ein Jahr einen Atelierraum zur Verfügung. Die Künstlerin richtete den Raum gemeinsam mit Schüler*innen und Lehrer*innen – überwiegend mit vorhandenen Mitteln – ein. Gemeinsam mit Lehrer*innen führte sie Projekte in Unterrichtszusammenhängen durch. Das Atelier war aber auch in Pausen und am Nachmittag als freiwilliges Angebot für die Schüler*innen geöffnet.

Aus dem dort vorhandenen Holz bauten Schüler in den Pausen Spielzeugwaffen. Magdalena von Rudy griff das starke Interesse der Schüler*innen an den Waffen und dem Spiel auf und entwickelte es weiter. Die zunächst einfachen Holzverbindungen eigneten sich hervorragend, um damit weiterzubauen und so aus den Waffen Skulpturen zu erschaffen. So wurden nicht nur beiläufig die handwerklichen Fähigkeiten der Schüler*innen gefördert, sondern gemeinsam näherte man sich dem Thema konstruktivistischer Skulpturen an. Das in Schule verbotene Objekt ‚Waffe‘ wurde so zum Ausgangspunkt der künstlerischen Arbeit.

Mit biografischen Elementen arbeiten

Biografische Elemente zum Inhalt der künstlerischen Auseinandersetzung zu machen, eröffnet für Schüler*innen eine gute Möglichkeit, sich selbst und ihre Lebenswelt einzubringen und zu reflektieren – kognitiv, sowie sinnlich und emotional. Durch die Transformation und Verfremdung im künstlerischen Prozess bekommt das Private, das Intime, das Persönliche einen Schutzraum, welcher das Sich-Selbst-Zeigen ermöglichen kann. Ein sensibler Umgang mit den Themen und Geschichten der Kinder und Jugendlichen ist dabei unerlässlich, genauso wie die Abwägung, ob und in welcher Form das Ergebnis präsentiert wird.

Wie wöchentlicher Theaterunterricht geflüchtete Jugendliche beim Ankommen in ihrem neuen Umfeld und ihrer neuen Schulklasse unterstützen kann, zeigt eindrücklich das bereits im Zusammenhang mit künstlerischen Prozessen angeführte Beispiel:

Beispielprojekt: Theaterarbeit mit geflüchteten Jugendlichen

Gemeinsam mit Regisseur*innen und Theaterschauspieler*innen arbeiteten die Jugendlichen theatral und autobiografisch. Dabei standen ihre Interessen und Lebenswelten im Zentrum des künstlerischen Prozesses.
Jugendliche, die neu sind in einem Land, einer Sprache und einer Klasse müssen schnell sehr viel lernen. Das Projekt der Hamburger Schule schuf mit den Mitteln des Theaters einen Raum für geflüchtete Schüler*innen, in dem sie sich mit ihrer neuen Lebenssituation auseinandersetzen konnten. Um einen inneren Bezug zu ihren Herkunftsländern herzustellen, fragte das Theaterteam die Jugendlichen nach etwas Poetischem: einem Lied, einem Gedicht oder einer Weisheit aus ihren Heimatländern. Alle hatten sofort einen Text im Kopf und dieser wurde dann gemeinsam übersetzt. Sie inszenierten die Texte an ihren Lieblingsorten in einem großen Hamburger Park und zeigten die Videos im Rahmen des Theaterstücks auf einer großen Leinwand.
Ein wichtiger Ort für einige der Jugendlichen war ein Boxclub in Wilhelmsburg. Mit dem Thema Kampf konnten sie sich gut identifizieren und die Antworten auf die Frage, wofür jeder in seinem Leben kämpft, wurden zu einem wichtigen Bestandteil des Theaterstückes. Im Boxring erzählte einer der Jungen seine Fluchtgeschichte, die letztlich in einer Boxszene am Ende des Stücks als Video hinterlegt war.

Beschränken und Fokussieren

Ergebnisoffenheit spielt im künstlerischen Prozess eine wichtige Rolle. Um jedoch in der Vielfalt der Möglichkeiten eine Orientierungshilfe zu bieten, kann eine Beschränkung oder Fokussierung eine angemessene Strategie darstellen.

Denkbar sind diese Praktiken zum Beispiel in Form …

  • der Beschränkung des Prozesses auf ein bestimmtes Zeitfenster, um zu einem Ergebnis zu kommen,
  • der Beschränkung der Ausdrucksmittel oder des Handlungsspielraums
  • oder der Fokussierung auf einen ganz konkreten inhaltlichen Aspekt.

Diese Strategien können auch dabei helfen, die Transformation von Inhalten in eine eigene, andere und künstlerische Ausdrucksform zu forcieren, wie dieses Beispiel aus dem Kunstlabor Literatur zeigt:

Beispielprojekt: Literarische Stationenreise

Innerhalb des Formats „Literarische Stationenreise“ lautet die oberste Regel: „Anfassen verboten!“. Die Kinder und Jugendlichen lernen zwanzig Bücher kennen, ohne sie anzufassen oder in ihnen zu blättern. Dabei sind die Titel der Bücher abgedeckt und nur die Umschlaggestaltung ist zu erkennen. Die Kinder dürfen die Bücher lediglich ansehen und darüber diskutieren, welche der vorgeschlagenen Titel, welche ersten Sätze und welche Klappentexte zu welchem Buch gehören könnten. Jeder Gedanke zählt, richtig oder falsch gibt es hier nicht. Nur Nachschauen ist nicht erlaubt!

Der eingeschränkte Handlungsspielraum der Schüler*innen fördert dabei die intensive Auseinandersetzung mit den vorliegenden Büchern sowie die Diskussion. Die Beschränkung weckt die Neugierde der Schüler*innen und regt sie dazu an, sich eigene Gedanken zu möglichen Inhalten der Bücher anhand der intensiven Betrachtung der Coverabbildungen zu machen. Am Ende des Prozesses steht die Auflösung und – wichtig! – alle Schüler*innen können ihr jeweiliges Lieblingsbuch endlich anfassen und erkunden.

Interventionen, Störungen, Irritationen erzeugen und nutzen

Interventionen, Irritationen und Störungen, die Kunst- und Kulturschaffende oder Lehrer*innen bewusst einsetzen und inszenieren, können als Motor zur Auseinandersetzung und Weiterentwicklung der Schüler*innen dienen. Sie können eine neue Erfahrung zu dem bisher Bekannten und Vertrauten ermöglichen und so Gegebenes und persönliche Annahmen infrage stellen und den Schüler*innen neue Impulse zum weiteren Handeln geben.
Schon die Anwesenheit einer in Schulen sonst nicht üblichen Person, wie einer Künstlerin oder eines Künstlers in einem eigenen Schul-Atelier, kann vorhandene Alltagsstrukturen aufbrechen und neue Impulse sowohl für Schüler*innen als auch Lehrer*innen und Schulleitungen geben.

Die bewusste Einbindung von Irritationen gehört auch zum Konzept der im vorigen Abschnitt erwähnten „Literarischen Stationenreise“, in der Schüler*innen über die Titel zu vorliegenden Buchcovern diskutieren. Dass die Bücher und möglichen Titel bewusst uneindeutig gewählt sind, also nicht alles auf den ersten Blick eindeutig zuzuordnen ist, sorgt bei den Schüler*innen für Irritation. Diese gewollte Uneindeutigkeit, und die so erzeugte Neugierde, eröffnet Möglichkeitsräume für eigene Interpretationen. Sie regt die Diskussion und die eigenen Ideen und Überlegungen erst richtig an.

Eine Schülerin aus Wuppertal und eine Schulleiterin sagen über ihre Erfahrungen mit Künstlerinnen an der Schule:

Sich Vorhandenes aneignen und neu arrangieren

Mit Gefundenem, bereits Bestehendem weiterzuarbeiten, es auseinanderzunehmen und zu etwas Neuem zu arrangieren, ist eine weit verbreitete künstlerische Strategie. Ob in Collagen, in denen Einzelteile neue Formen bilden, oder beim Remix in der Musik oder im Film, wo bestehendes Material neu verarbeitet wird.

Auch im Rahmen der Kunstlabore erwies sich das Vorgehen als wertvoll, wie dieses Beispiel aus dem Kunstlabor Bildende Kunst zeigt:

Beispielprojekt: Found

Im Projekt „Found“ war eine Schüler*innengruppe dazu aufgefordert, zu einem Filmausschnitt, aus dem der Ton entfernt war, mithilfe von Musikinstrumenten oder Dialogen eine neue Tonspur zu gestalten.
Eine andere Gruppe erhielt ausschließlich die originale Tonspur ohne Bild und sollte das Gehörte visualisieren, beispielsweise mit Scherenschnitten und Schattentheater an der Wand.
Die beiden neu entstandenen Versionen wurden am Ende entweder synchron aufgeführt oder eine jeweils neue Bild- oder Ton-Version ersetzte den entsprechenden fehlenden Teil zum Original.
Mit den Bruchstücken und dem vorgefundenen Material entwickelten die Schüler*innen somit ihre eigenen Interpretationen und setzten etwas völlig Eigenes und Neues um.

Ständig schaffen wir neue Referenzräume. Wir finden etwas Unvollständiges, hören ein Bruchstück eines Gesprächs, sehen ein Bild ohne Kommentare, bekommen eine unvollständige Information und beginnen sie im Kopf zu ergänzen, zu rekonstruieren und damit auch zu verändern. Was passiert, wenn einem komplexen Gebilde etwas fehlt? Oder wenn eine Wahrnehmungsebene ausgeblendet wird? Welche Rolle spielt der Rekonstrukteur und sein Wissen, seine Intentionen, Bildung, Geschlecht, Herkunft, kulturelle Ursprünge bei der Findung und Erschaffung des fehlenden Elements?
Magdalena von Rudy, Medienkünstlerin

Freiräume schaffen

Künstlerisches Arbeiten ermöglicht einen anderen Umgang mit Zeit und Raum im Schulalltag und bietet Freiräume für Schüler*innen und Lehrer*- innen. Freiräume im Denken und im Handeln. Und auch Freiräume für eigene Entscheidungen und die Möglichkeit, einen individuellen Ausdruck zu entwickeln. Diese Freiräume können aktiv geschaffen werden.

Zeitliche Freiräume werden ermöglicht, wenn zum Beispiel über mehrere Wochen hinweg auch während der Schulzeit schulklassenübergreifend für eine Theateraufführung, eine thematische Ausstellung oder eine Tanzperformance gearbeitet werden kann. Diese gemeinsamen Produktionen sind nicht geprägt vom 45-Minuten-Rhythmus der Schulstunde. Zeitliche Freiräume können auch geschaffen werden, wenn das bereits vorgestellte Atelier seine Türen regelmäßig und zu verlässlichen Zeiten während der Schulzeit, in den Pausen und am Nachmittag öffnet.

Inhaltliche Freiräume entstehen, wenn die Schüler*innen ihren eigenen Interessen nachgehen können und ihr Schaffen frei ist von einer Benotung und von curricularen Vorgaben. Ein kontinuierlich zur Verfügung stehender Atelierraum bietet dafür ideale Bedingungen, ebenso wie eine vorhandene Bühne oder ein Probenraum. Denn Freiräume sind ebenfalls geprägt durch eine andere Ausstattung und Gestaltung der Umgebung. Der Atelierraum bietet zum Beispiel eine Vielzahl an Möglichkeiten für freies Arbeiten, indem der Raum ansprechend eingerichtet ist und Materialien und Werkzeuge offen zur Verfügung stehen. Derartige Freiräume wirken inspirierend und ermöglichen, dass Ideenskizzen oder Zwischenergebnisse stehen und liegen bleiben. (Weitere Anregungen und Tipps dazu, wie man auch bei Raumknappheit vorhandene Schulräume nutzen und umgestalten kann, die künstlerisch-kreative Denk- und Handlungsfreiräume befördern, finden Sie im Kapitel „5. Qualitätsbereich: Der Raum“.)

In einem solchen Atelier-Freiraum ließ ein Schüler an einer Gesamtschule in Solingen seiner Kreativität freien Lauf und arbeitete – über Monate hinweg und auch nach dem Unterricht – in jeder freien Minute an einem Stop-Motion-Film:

Beispielprojekt: Transformer

Der Anfang war spielerisch: Einige Fünftklässler kamen in den Pausen zusammen, um in Ruhe mit ihren Action-Figuren zu spielen. In der Schule war das Spielen mit ihrem Spielzeug nicht erlaubt, weshalb sie sich in den Freiraum des Ateliers zurückzogen. Hier konnten sie ungestört ihre Transformer gegeneinander kämpfen lassen: Sie spielten ausgelassen und wiederholten ihr Spiel von Tag zu Tag. Sie waren im Flow und erfanden fantastische Welten.

Die Künstlerin, die zu den Öffnungszeiten im Atelier anwesend war, beobachtete das Spiel und gab den Schüler*innen den Impuls, daraus einen Film zu machen. Sie zeigte den neugierigen und interessierten Kindern die Stop-Motion-Technik, eine Technik, bei der aus vielen Einzelaufnahmen mit minimaler Bewegungsveränderung ein Film entsteht.

Im letzten Jahr habe ich einen Stop-Motion-Film gemacht. Ich fand das toll. Ich habe ein paar Wochen oder noch mehr gebraucht und das einfach so gemacht. Ich habe mein Ziel verfolgt und mich von nichts ablenken lassen. Habe immer die Kamera da stehen gehabt und das Spielzeug leicht bewegt auf einer Platte, die man mit Tape beklebt hatte, sodass man Straßen sehen konnte. Dann habe ich einfach ein Foto gemacht, das Spielzeug leicht bewegt und dann wieder ein Foto gemacht und dann Szene für Szene die Kamera immer woanders hingestellt. Das fand ich ganz toll, weil ich mein Ziel verfolgt habe und letztendlich dann verdammt froh war, dass ich es fertig hatte. Ich war ziemlich glücklich!
Jason Buhl, Schüler

Manchmal ist es schwer, einen Anfang oder eine Ausgangsidee für das gemeinsame künstlerische Arbeiten zu finden. An diesem Punkt hilft das im Kunstlabor Bildende Kunst entwickelte Tool KlappKLAUS mit Impulsen als Ideengeber weiter.

KlappKLAUS ist ein Buch, welches nach dem Prinzip eines Klappbuches funktioniert. Anhand von vier Kategorien – Raum, Material, Technik und Herangehensweise – können unzählige Ausgangslagen für die künstlerische Arbeit zusammengestellt werden; durch eine bewusste Auswahl oder auch durch das Zufallsprinzip.

Hier finden Sie die digitale Version von KlappKLAUS und hier die Printversion zum Selberbauen:

2. Gestaltung des Arbeitsprozesses

Welche Aspekte sind in der Prozessgestaltung mit den Schüler*innen wichtig?

Der zweite wichtige Aspekt im künstlerischen Prozess ist die Ausgestaltung des Arbeitsprozesses.
In der gemeinsamen Arbeit mit Schüler*innen reicht es nicht aus, künstlerische Strategien und Arbeitsweisen anzuwenden. Der gemeinsame Prozess mit den Kindern und Jugendlichen muss angeleitet und bewusst gestaltet werden, damit sich die Möglichkeits- und Erfahrungsräume öffnen können, die künstlerisches Arbeiten bietet.
Über alle Kunstsparten hinweg haben sich in den Kunstlaboren die im Folgenden erläuterten Merkmale in der Gestaltung des Arbeitsprozesses als zentral für das Gelingen, also für die Umsetzung der gemeinsam gefassten Ziele, herausgestellt.

Der Fokus liegt hierbei auf den Aspekten, die das soziale Miteinander im künstlerischen Arbeiten prägen. Darüber hinausgehende wichtige Aspekte des Projektmanagements, der Organisation und der strukturellen Verankerung – wie beispielsweise Hilfestellungen für eine gute und abgestimmte Zeitplanung oder die gemeinsame Klärung von Verantwortlichkeiten als Grundvoraussetzung für einen möglichst störungsfreien Verlauf – finden Sie in hier und hier beziehungsweise in unserem Ratgeber in den Kapiteln „Die Verständigung zwischen Kunst- und Kulturschaffenden und Lehrer*innen“ sowie „Die Beziehung zwischen Schüler*innen, Kunst- und Kulturschaffenden und Lehrer*innen“.

Beteiligung, Teilhabemöglichkeiten und Partizipation

Da in Schulen künstlerische Arbeit einen sozialen Prozess darstellt und gemeinschaftliche Entscheidungen einen hohen Stellenwert haben, stehen am Anfang dieser Zusammenarbeit Überlegungen zur Gestaltung der Beteiligung, Teilhabemöglichkeiten und Partizipation der Kinder und Jugendlichen. Neben organisatorischen Rahmenbedingungen geht es hier vor allem darum, die Schüler*innen in möglichst vielfältiger und verantwortlicher Weise nicht nur in die Durchführung, sondern bereits in die Planung des künstlerischen Vorhabens einzubeziehen. So haben sie die Möglichkeit, ihre eigenen Interessen und Themen einzubringen und das Projekt zu ‚ihrem‘ Projekt zu machen – eine motivierende Bedingung, die Neugierde und persönliches Engagement fördert. Über die Beteiligung an der inhaltlichen Ausgestaltung hinaus geht es aber auch darum, Rahmenbedingungen zu schaffen, die möglichst allen Schüler*innen die gleichen Möglichkeiten zur Mitwirkung bieten, sodass die künstlerische Arbeit nicht exklusiv bleibt und individuelle und gruppenbezogene Erlebnisse ermöglicht werden.

Hinsichtlich der Beteiligung, der Teilhabemöglichkeiten und der Partizipation der Schüler*innen an der künstlerischen Arbeit sind folgende Gelingensbedingungen bedeutsam:

 

Ist die Teilnahme mit Kosten verbunden und können diese von allen finanziert werden? Findet das Angebot in erreichbaren und für alle zugänglichen Räumen statt? Ist der Durchführungszeitraum so gewählt, dass die Teilnahme für alle möglich ist?

Nicht alle Schüler*innen stehen zum Beispiel gerne auf einer Theaterbühne. Gibt es also die Möglichkeit, bei einem Theaterprojekt auch hinter der Bühne zu arbeiten, Kostüme zu entwerfen oder für das Bühnenbild oder die Technik zu arbeiten? Sind verschiedene Möglichkeiten der Mitwirkung im Angebot eingeplant?

Ist die künstlerische Arbeit für alle Geschlechter gleichermaßen interessant und zugänglich? Gibt es kulturelle, religiöse oder soziale Aspekte, die das Angebot für einige Schüler*innen weniger zugänglich machen? Sind besondere Bedürfnisse zu beachten, um eine selbstbestimmte Teilhabe zu ermöglichen?

Werden die Schüler*innen und ihre Interessen mit einbezogen in die Konzeptentwicklung, die Durchführung und auch in die Reflexion über den Prozess?

Beispielprojekt: Partizipatives Theater

Wie weit Partizipation in Projektentwicklung und -durchführung gehen kann, hat im Kunstlabor Theater eine Hamburger Grundschule gemeinsam mit dem Jungen SchauSpielHaus Hamburg erprobt.
Die Grundschüler*innen konnten auf Basis und in Anlehnung an ein Theaterstück des Schauspielhauses einen Theatertag für ihre gesamte Schule entwickeln und gestalten, Verantwortung übernehmen und auf Augenhöhe mit den Erwachsenen agieren. Das gemeinsame Motto lautete: Keiner hat mehr oder weniger Macht, weil er oder sie älter ist.
Aus allen Klassen wurden von den Schüler*innen selbst gewählte ‚Abgeordnete‘ in ein sogenanntes ‚Expert*innenteam‘ gesandt, das sich intensiv mit dem Theaterstück auseinandersetzte und dann den Gestaltungsspielraum hatte, eigene Ideen zu entwickeln, wie dieses Theaterstück als Inspiration für einen Theatertag der ganzen Schule dienen kann. Die Besonderheit war, dass Kinder und Lehrer*innen inhaltlich das gleiche Mitspracherecht hatten: Niemand hatte mehr Entscheidungsbefugnis als der oder die Andere.

Wir haben uns gefragt, ob es möglich ist, in Schulen künstlerische Freiräume zu schaffen, in denen Kinder mehr Verantwortung übernehmen und mit Erwachsenen gemeinsam Theater machen. Und wie es gelingt, dass Erwachsene die Ideen der Kinder wirklich ernst nehmen. Wir wollten die Machtstrukturen in der Schule und im Theater hinterfragen.
Anneke Naumann, Theaterlehrerin und Nicole Dietz, Theaterpädagogin des Projekts

Eine gute Kommunikation des Prozesses in die Schule hinein war essentiell, um die Arbeit der Expert*innen sichtbar zu machen und die ganze Schule in den Entwicklungsprozess des Theatertages mit einzubeziehen. So berichteten die Expert*innen regelmäßig in ihren Klassen und holten Rückmeldungen und Ideen ein. Ebenso waren die Kinder an der Gesamt-Lehrer*innenkonferenz beteiligt. Eltern wurden durch Elternbriefe mit einbezogen, Dokumentationen aus dem Entstehungsprozess wurden sichtbar im Schulraum ausgestellt.

Auch beim Willen nach größtmöglicher Partizipation stößt man zumeist irgendwann an Grenzen, die beispielsweise durch den schulischen Rahmen nicht umgangen werden können. Wichtig an dieser Stelle ist es, mit diesen Begrenzungen transparent gegenüber allen Beteiligten umzugehen, um Enttäuschung oder Demotivation zu vermeiden.
In der Hamburger Grundschule waren es etwa logistische Herausforderungen, die mit den Ideen der Kinder für den Schul-Theatertag verbunden waren, welche ein Eingreifen der Erwachsenen erforderlich machten. Hier standen die Erfahrungswerte der Anleitenden zur Machbarkeit der Kreativität der Kinder gegenüber, so dass sich die Erwachsenen letztlich doch wieder stärker an der Entscheidungsfindung beteiligten als ursprünglich beabsichtigt.

Begleitung und Reflexion

Künstlerisches Arbeiten ist durch große Entscheidungsfreiheit und damit einhergehend durch Unsicherheit geprägt. Um dieser Unsicherheit zu begegnen, benötigen die Schüler*innen Begleitung während des Schaffensprozesses und kontinuierliche Rückmeldung zu ihrem Arbeitsstand.
Wichtig sind fachlich-konstruktive Impulse von außen, Ermutigung bei allen Unwägbarkeiten und regelmäßig die Möglichkeit, sowohl individuell als auch gemeinsam, kritisch, aber immer konstruktiv über den Arbeitsprozess und das Ergebnis mit den Kunst- und Kulturschaffenden, den Mitschüler*- innen und der Lehrperson zu reflektieren.

Dabei geht es auch darum, einen Freiraum für die Reflexion der Themen und Interessensgebiete von Schüler*innen zu schaffen, insbesondere bei Inhalten, die an Schulen vermeintlich verboten oder kritisch gesehen sind, wie das Thema Waffen im Projekt „Bazooka trifft Malewitsch“.

Einerseits finden die Kinder und Jugendlichen so mit ihren Themen Gehör, andererseits ermöglichen die qualitätsvolle Begleitung und Reflexion es, mit den Inhalten künstlerisch-gestalterisch weiterzuarbeiten, andere Perspektiven zu eröffnen und Neues daraus zu erschaffen.

Die Künstlerin Magdalena von Rudy sagt über ihre Erfahrungen im Projekt „Bazooka trifft Malewitsch“:

Das Projekt entstand aus einer für Schulverhältnisse provokanten Haltung: Hier im Atelier darfst du etwas machen, was du in der Schule eigentlich nicht machen darfst. Hier ist eine Insel, hier gelten andere Regeln. Ich erlaube, Waffen aus Holz zu bauen, aber dabei bleibt es nicht! Und das ist wichtig! Man muss die Schüler*innen wahrhaftig begleiten, nicht nur etwas ermöglichen und sich entziehen, sondern das, was sie machen reflektieren, hinterfragen, weiterentwickeln und dadurch einen neuen Umgang ermöglichen.
Magdalena von Rudy, Medienkünstlerin

Authentizität

In der künstlerischen Arbeit an Schulen spielen der persönliche Zugang und der Ausdruck der Schüler*innen eine wichtige Rolle. Ein Teil der eigenen Persönlichkeit der Kinder und Jugendlichen findet dabei seinen Ausdruck, was eines sensiblen Umgangs bedarf.

Damit anleitende Personen wie Kunst- und Kulturschaffende und auch Lehrer*innen als Vorbilder von den Schüler*innen akzeptiert werden und diesen Prozess als Mentor*innen gut begleiten können, sollten sie von diesen als authentisch in ihrem Handeln wahrgenommen werden. Denn nur wenn die Anleitenden als authentisch und echt erlebt und dadurch in ihrer Rolle akzeptiert werden, können das Vertrauen und die Bereitschaft entstehen, sich auf Unbekanntes und Neues ernsthaft einzulassen.
Vor allem in performativen Künsten wie Tanz oder Theater, in denen der eigene Körper zum Ausdrucksmedium wird, kann dies eine entscheidende Rolle spielen, wenn es um die Überwindung von Peinlichkeit oder Schamgefühl geht.

Nur wenn Kunst- und Kulturschaffende ihre Kunst und ihren künstlerischen Blick auf die Welt authentisch vertreten, können sie diesen Blick auch den Schüler*innen eröffnen und ihnen neue Perspektiven aufzeigen. Dabei geht es zum einen um die Authentizität in der Kompetenz und Expertise, indem beispielsweise das eigene künstlerische Profil und persönliche Erfahrungen aus der eigenen Arbeit mit eingebracht werden. Es geht jedoch auch um die Authentizität im Selbstverständnis und in der Rolle als Kunst- und Kulturschaffende in einer Schule, die eine gewisse Autonomie gegenüber dem Schulsystem und den dort bestehenden Handlungszwängen bietet. Wie im vorangegangenen Abschnitt „Begleitung und Reflexion“ beschrieben, ist es beispielsweise einer Künstlerin möglich, Waffen mit Schüler*innen zu bauen, weil sie als Künstlerin mit diesem Thema einen anderen Umgang pflegt und pflegen kann als die Schule. Schüler*innen eröffnet dies Möglichkeiten und Freiheiten, die sie sonst so im System Schule nicht erleben.

Neben Authentizität in der Expertise und Rolle, soll hier abschließend noch die Authentizität in der Begeisterung und Leidenschaft für die Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen hervorgehoben werden. Denn nur wer über die eigene Kunst hinaus auch Spaß an der Vermittlung und Begleitung von Kindern und Jugendlichen hat, wird künstlerische Prozesse an Schulen überzeugend umsetzen können.

Die Arbeit mit [der Künstlerin] Magda ist total befreiend. Sie schafft es wirklich, aus den Schülern etwas rauszuholen, bei dem ich total nachbohren müsste. Sie stellt sich da einfach so hin und sagt ‚Komm wir tanzen jetzt mal!‘ – Und dann fängt sie einfach an und macht Bewegungen, bei denen ich denke ‚Oh, das ist jetzt aber grenzwertig.‘ – Aber die machen alle mit! Sie geht völlig unvoreingenommen auf die Schüler zu. Und das Gute an der Arbeit mit ihr ist, dass sie trotzdem immer noch den Schulalltag im Blick hat.
Heike Mack, Lehrerin Sekundarschule Ennepetal

Individuum und Teamwork

Wie auch in schulischen Lernzusammenhängen, ist im künstlerischen Arbeiten eine Kombination aus Einzel- und Gruppenarbeit oft sinnvoll und gewinnbringend.
In der Einzelarbeit ist eine vertiefte, individuelle Beschäftigung mit einem Thema möglich.
Der gemeinsame Austausch und das gemeinsame Arbeiten können wiederum Impulse zum Weiterdenken geben, vor allem durch die verschiedenen Perspektiven, die die Schüler*innen einbringen. In der gemeinsamen Arbeit können die Schüler*innen sich über ihre Erfahrungen austauschen, ein gemeinsames Ergebnis erarbeiten oder sich gegenseitig Hilfestellung leisten.

Welche Art und welcher Grad der Zusammenarbeit sinnvoll ist, variiert von Angebot zu Angebot und sollte vorher in der Konzeptionsphase besprochen werden. Wichtig ist dabei, das Verhältnis auch während des Prozesses zu überprüfen und je nach Bedarf anzupassen. Unabhängig davon, wie hoch der Anteil der gemeinsamen Arbeit ist, ist es wichtig, bei der Gruppenarbeit darauf zu achten, dass die Schüler*innen innerhalb einer Gruppe gut zusammenarbeiten können.

Die Form der gemeinsamen Arbeit kann unterschiedlich aussehen:

 

Wie bereits hier oder im Ratgeber (eBook) im Kapitel „Kunstverständnis und künstlerische Praxis“ beschrieben, entwickelten zwei Oberstufenkurse aus den Bereichen Bildende Kunst und Darstellendes Spiel (DS) im Kunstlabor Theater ein Stück zum Themenkomplex „Heimat und Fremde“.
Im DS-Kurs verfassten die einzelnen Schüler*innen zuerst individuell Texte, in denen sie sich mit dem Thema „Heimat“ und ihrer Sicht darauf beschäftigten. Im Kunst-Kurs entwickelten Schüler*innen parallel individuelle Kostüm-Skulpturen, die das Thema „Fremde“ aufgriffen. Die einzelnen Szenen und Kostüme wurden im Anschluss mit Hilfe eines Regisseurs von den Schüler*innen beider Kurse gemeinsam inszeniert.

Zum Projekt

Das oben im Abschnitt „Beteiligung, Teilhabemöglichkeiten und Partizipation“ beschriebene Beispiel der Hamburger Grundschule, die gemeinsam mit dem Jungen SchauSpielHaus erprobte, wie weit Partizipation in Projektentwicklung und -durchführung gehen kann, ist hierfür ein gutes Beispiel.
Die Gruppe der gewählten Kinder-Expert*innen arbeitete von Anfang an gemeinsam an der Entwicklung des Theatertages und musste im gemeinschaftlichen Prozess Ideen entwickeln und Entscheidungen fällen.

Zum Projekt

Im Kunstlabor Musik komponierten Schüler*innen in einem Singer-Songwriter-Angebot eigene Songs. Persönliche Texte und Melodien wurden einzeln erarbeitet. Der Prozess war vor allem geprägt von vielen Einzelgesprächen zwischen den Schüler*innen und dem begleitenden Musiker und Komponisten sowie der individuellen Entwicklung jedes einzelnen Songs.

Zum Projekt

Angemessenheit

Die Frage der Angemessenheit stellt wohl eine der schwierigsten Fragen im Prozess dar, sowohl für die Kunst- und Kulturschaffenden als auch für die Lehrer*innen.
Um Über- und Unterforderung zu vermeiden, sollten die gewählten Methoden, Herangehensweisen, Aufgaben und Ziele dem Alter, den Fähigkeiten und den Vorerfahrungen der Schüler*innen angemessen sein. Bei der Wahl des Formats künstlerischer Arbeit sollten sowohl die sprachlichen, handwerklichen wie auch die künstlerischen Vorkenntnisse und Fähigkeiten der Teilnehmenden einbezogen werden.
Während Rahmenlehrpläne und Unterrichtseinheiten so konzipiert sind, dass sie sich auf bestimmte Altersstufen beziehen, ist dieser Bezug in der prozesshaften Anlage künstlerischer Arbeit erst einmal nicht gegeben. Hier ist die Vorerfahrung der Kunst- und Kulturschaffenden von großer Bedeutung, ebenso wie deren Menschenkenntnis und Vertrauen in ihre eigene Intuition. Zum Tragen kommt in diesem Zusammenhang die Bedeutung der individuellen Begleitung und des kontinuierlichen Feedbacks. Letztlich stellt die Balance zwischen genügend Anreiz, Herausforderung und einer Vermeidung von Langeweile und Desinteresse durch Unterforderung ebenfalls einen gemeinsamen Lernprozess dar.

Das Spektrum der möglichen Formate und ihrer Anpassungsoptionen ist riesig, wie die unterschiedlichen Ansätze des Kunstlabors Literatur im Format „Sprache mit Bildern entwickeln – Die ganze Welt“  und die verschiedenen Projekte des Kunstlabors Musik zeigen, von kleinen individuellen Einzel- und Gruppenformaten im Klassenverband bis hin zu großen, schul- und stadtteilumfassenden Kunstaktionen wie der Stadtteil-Oper.

Zusammenfassende Tipps für die Gestaltung des Arbeitsprozesses

 

 

Es ist von großem Vorteil für die gesamte Arbeit, wenn Ihr künstlerisches Vorhaben die Kinder und Jugendlichen in möglichst vielen Facetten einbindet, anspricht und für sie zugänglich ist – sowohl organisatorisch als auch inhaltlich.

Die Begleitung der Schüler*innen durch die Lehrer*innen und Kunst- und Kulturschaffenden ist wichtig. Neben der Ermutigung, eigene Ideen weiter zu verfolgen, helfen fachliche Expertise und konstruktiv-kritisches Feedback dabei oft mehr als ein einfaches Lob.
Zu einer optimalen Begleitung gehört auch, den Schüler*innen den Freiraum für die eigene Entfaltung zu geben.

Teamarbeit der Schüler*innen kann nur gelingen, wenn gruppendynamische Prozesse bei der Gruppenbildung berücksichtigt werden.

  • Welche Schüler*innen können gut zusammenarbeiten?
  • Welche Schüler*innen behindern sich gegenseitig beim Zusammenarbeiten?
  • Gibt es in jeder Gruppe auch Schüler*innen, die gut im selbstständigen Arbeiten sind und die Gruppe aktivieren können
  • Welche Schüler*innen möchten gerne zusammenarbeiten?
  • Gab es im Vorfeld des Unterrichts Auseinandersetzungen zwischen Schüler*innen?
  • Welches Verhältnis von Jungen und Mädchen macht für das Projektvorhaben Sinn?

3. Inhalte und Themen

Was ist bei der Auswahl von Inhalten und Themen als Ausgangspunkt für die künstlerische Arbeit wichtig?

Worum soll es in der künstlerischen Arbeit gehen?
Die Auswahl von Inhalten und Themen der künstlerischen Arbeit sollte im Sinne einer gemeinsamen Konzeption und des gemeinsamen sozialen Prozesses in der Zusammenarbeit von Lehrer*innen, Kunst- und Kulturschaffenden und Schüler*innen stattfinden.
Im direkten Austausch oder auch über Fragebögen ist es möglich, ein Thema zu finden, das die Interessen der Beteiligten aufgreift. So kann das Angebot für alle Beteiligten Relevanz entwickeln. Die Anbindung an Unterrichtsinhalte der Schulen spielt dabei ebenso eine Rolle, wie das Aufgreifen und Einbinden der Interessenslagen der Schüler*innen.
Über das persönliche Interesse und die Begeisterung für bestimmte Inhalte hinaus lässt sich jedoch auch feststellen, dass bestimmte Themen und Gegenstände mehr Potenzial für künstlerische Auseinandersetzung unter den Schüler*innen bieten als andere. Eine bewusste Auswahl kann also von Anfang an Möglichkeiten eröffnen und sollte deshalb durchdacht getroffen werden.

Vielfalt und Eignung von Inhalten berücksichtigen

Die Vielfalt dessen, was alles zu Inhalt und Thema einer künstlerischen Zusammenarbeit werden kann, ist groß. Es sollen hier nur einige Anregungen aus den Kunstlaboren gegeben werden. Denkbar sind:

  • Themenkomplexe, wie beispielsweise „Heimat und Fremde“ als Ausgangspunkt für die Entwicklung einer Theaterinszenierung
  • Gegenstände und künstlerische Werke, wie der Jugendroman „Tschick“ als Basis für die künstlerische Auseinandersetzung
  • forschende Fragestellungen, wie die Erforschung des eigenen Stadtteils oder der Familiengeschichte
  • die Erkundung von Phänomenen, wie beispielsweise das physikalische Phänomen der Lichtbrechung

All diese Ansätze sollen im Folgenden unter dem Begriff „Gegenstände künstlerischer Arbeit“ zusammengefasst verstanden werden.

Eignen sich bestimmte Gegenstände besser als andere für die künstlerische Arbeit? – Aus den Erfahrungen des Kunstlabore-Programms heraus muss diese Frage mit einem „Ja, aber…“ beantwortet werden:

Ja, manche Gegenstände eignen sich besser als andere für die künstlerische Arbeit, denn sie können mehr oder weniger zur Auseinandersetzung anregen. Sie können mehr oder weniger eindeutig verstanden werden und damit den Schüler*innen mehr oder weniger Impulse zur eigenen Auseinandersetzung bieten.
Aber: Es hat sich auch gezeigt, dass Kunst- und Kulturschaffende so gut wie jeden Inhalt aufgreifen und verarbeiten können und daran anschließend vielmehr der künstlerische Umgang mit dem Thema den wichtigeren Aspekt der Arbeit darstellt.

Anknüpfen an die Lebenswelt und die Interessen der Schüler*innen

Wie in vielen anderen Kontexten künstlerischer Arbeit in Schulen hat sich auch im Programm Kunstlabore bestätigt, wie wichtig die aktive und ernsthafte Einbeziehung der Schüler*innen mit ihren Bedürfnissen, Fragestellungen, aktuellen Themen und Interessen ist. All das stellt für Kunst- und Kulturschaffende das „Material“ dar, mit dem im folgenden Prozess gearbeitet werden kann.
Zum einen fand diese Einbindung in den Kunstlaboren über die Wahl der Themen statt: So wurden zum Beispiel biografische Elemente von den Schüler*innen aufgegriffen.
Zum anderen waren es aber auch Techniken, die den Kindern und Jugendlichen aus ihrem Alltag bekannt und die für sie interessant waren, wie Street Art oder die Stop-Motion-Filmtechnik. Die Schüler*innen hatten so die Möglichkeit, etwas Eigenes einzubringen und das Gefühl zu entwickeln, dass die künstlerische Arbeit etwas ist, was mit ihnen selbst zu tun hat.

Ein Beispiel aus dem Kunstlabor Musik zeigt, wie wesentlich die Identifikation der Schüler*innen auch für das Gelingen der weiteren Zusammenarbeit mit den Kunst- und Kulturschaffenden ist und die gegenseitige Beziehung prägt:

Beispielprojekt: Individuelle Potenziale fördern – Singer-Songwriter-Projekte

Das Singer-Songwriter-Format, in dem die Schüler*innen eigene Songs schreiben und diese am Ende gemeinsam mit dem Orchester in einem Konzert zur Aufführung bringen, ist zentral für die Partnerschaft von Schule und Orchester.
Die Profi-Musiker*innen wagen damit einen Schritt heraus aus ihrem Profi-Alltag in Richtung der Schüler*innen und fragen: „Was bewegt dich? Was berührt dich? Wir als Orchester glauben, dass du etwas Wichtiges zu sagen hast!“
Die Themenwahl und die darüber stattfindende Kommunikation kann also auch zum verbindenden Element zwischen Kunst- und Kulturschaffenden und Schüler*innen werden.

Aufgreifen von Unterrichtsinhalten

Eine Herausforderung für die anleitenden Kunst- und Kulturschaffenden und Lehrer*innen stellt sich vor allem dort, wo Kunst- und Kulturschaffende nah an den Unterrichtsthemen arbeiten.
Besonders spannend ist dabei die Frage: Wie gelingt es, die Ansprüche von Lehrer*innen und Schüler*innen zusammen zu bringen?
Die kurze Antwort lautet: Wenn der Raum für eine gemeinsame Konzeption gegeben ist.

Wie man konkrete Unterrichtsinhalte mit künstlerischem Arbeiten verknüpfen kann, zeigt zum Beispiel das Tanzprojekt „Moving the Classroom“:

Beispielprojekt: Moving the Classroom

In diesem Format können interessierte Fachlehrer*innen eine Tänzerin oder einen Tänzer in den Fachunterricht einladen, um mit den Kindern Unterrichtsinhalte – vom Stromkreis bis zur englischen Vokabel – zu „vertanzen“. Gemeinsam mit den Schüler*innen entwickeln die Tänzer*innen im Unterricht Bewegungen und kleine Choreografien, die die Unterrichtsinhalte in das Medium Tanz übersetzen. Die gemeinsame Entwicklung und die körperliche Bewegung führen dazu, dass sich die Schüler*innen die Lerninhalte leichter einprägen können.

Beispielprojekt: Linsen, Prismen und Lichtstrahlen

Im Physikunterricht einer 8. Klasse an der Sekundarschule Ennepetal ging es um Optik.
Die Künstlerin Magdalena von Rudy hospitierte mehrere Stunden im Unterricht und begann im Anschluss gemeinsam mit den Schüler*innen, mit den vorhandenen optischen Gerätschaften zu experimentieren und zu spielen. Sie baute damit auf ihrer eigenen Suchbewegung auf und bezog die Schüler*innen in ihren schöpferischen Prozess ein.

Es ging hierbei um eine visuelle, spontane und erfahrungsorientierte Annäherung an das Thema sowie an die Utensilien und ihre Eigenschaften. Das genaue und achtsame Beobachten der Farben und Formen des Lichts sowie das Bemerken und Erkennen der kleinen Veränderungen und Farbmischungen stand bei dieser experimentellen Erkundung im Zentrum.

Zusammenfassende Tipps zur Themenfindung

Diese Aspekte können Ihnen bei der Auswahl von geeigneten Themen und Inhalten helfen:

 

Dies muss nicht zwangsläufig über das Thema geschehen, sondern kann auch über die Auswahl der Arbeitstechniken und -medien erfolgen. Auch zu physikalischen Themen können Sie beispielsweise mit Hilfe einer Video-App kleine, selbstproduzierte Filme gestalten lassen.

Auch ein ungewöhnlicher Einstieg, der zunächst eher unterrichtsfern erscheint, kann zu spannenden Erkenntniswegen führen.

Achten Sie bei der Wahl Ihres Gegenstandes darauf, dass sich verschiedene Anknüpfungspunkte und Perspektiven der Auseinandersetzung bieten. Uneindeutigkeiten, Irritationen und Leerstellen stellen für die Schüler*innen wertvolle Ansatzpunkte zur persönlichen Auseinandersetzung dar.

In allen – auch nicht-künstlerischen – Unterrichtsfächern bietet die Zusammenarbeit mit Kunst- und Kulturschaffenden die Möglichkeit, die Inhalte durch körperlich-sinnliches Erleben bei den Schüler*innen tiefer zu verankern.

Thematisieren Sie, falls notwendig, früh genug das Thema der Benotung und gehen Sie transparent und nachvollziehbar für alle Beteiligten damit um.

Beim Aufgreifen und künstlerischen Bearbeiten von Unterrichtsinhalten – speziell, wenn das künstlerische Arbeiten einen größeren Teil in der Unterrichtsumsetzung einnimmt – stehen Lehrer*innen und Kunst- und Kulturschaffende oft vor der Notwendigkeit und Herausforderung der Benotung. Hier sollten möglichst früh im gemeinsamen Prozess Anforderungen besprochen und gemeinsame Kriterien festgelegt werden, die auch für die Schüler* innen transparent und nachvollziehbar sind.

4. Präsentation und Abschluss

Welche Möglichkeiten von Projektabschlüssen und Präsentationen gibt es und weshalb ist die Angemessenheit des Abschlusses ein wichtiger Gelingensfaktor?

Fast mantraartig gilt es, jedes Kunstprojekt in Schulen in irgendeiner Form mit einem Ergebnis abzuschließen – sei es eine Aufführung oder eine Ausstellung. Es gilt als wichtig für das Erfolgserlebnis der Schüler*innen. Im gleichen Maße werden kritische Stimmen laut, die es für nachteilig halten, wenn ein Kunstprozess nur auf ein Produkt abzielt.

Im Rahmen der Reflexion der Kunstlabore ist die Frage nach einem geeigneten Projektabschluss intensiv diskutiert worden. Über alle Sparten hinweg waren sich die Beteiligten einig, dass es eines Abschlusses der künstlerischen Arbeit bedarf. Dieser kann ganz unterschiedliche Formen annehmen. Wichtig dabei ist, dass er dem künstlerischen Prozess und den Bedürfnissen der Schüler*innen angemessen ist.

Das Konzept für den Abschluss der künstlerischen Arbeit sollte bereits während des Projektverlaufs mit allen Beteiligten abgestimmt werden. Denn so können Zwischenergebnisse gesichert und der Prozess (fotografisch/audiovisuell) dokumentiert werden. Das ist vor allem dann von Bedeutung, wenn am Ende eine Ausstellung Einblicke in die gemeinsame Arbeit geben soll oder der Prozess selbst die Präsentation bestimmt.

Die Herausforderung besteht darin, sich gleichzeitig nicht zu früh in allen Punkten festzulegen, um sich nicht dadurch in Gestaltungsspielraum und Kreativität selbst zu beschränken.
In den Sparten Tanz, Musik und Theater wird eine Bühnenaufführung am Ende in der Regel als selbstverständlicher angesehen als im Bereich Bildende Kunst oder Literatur. Die Präsentation auf der Bühne kann dabei für die Schüler*innen zu einem Moment von hoher Intensität und Konzentration werden, der vom unmittelbaren Kontakt mit dem Publikum und der Reaktion auf die eigene Präsenz geprägt ist.
Aber auch wenn es sich nicht um eine Bühnenpräsentation oder ein Konzert handelt, sollte jeder künstlerische Prozess grundsätzlich zu einem Ergebnis und Ende gebracht werden, mit welchem die Schüler*innen einen Abschluss für ihre Arbeit finden können. Das bedeutet nicht zwingend, eine große oder sogar öffentliche Aufführung zu veranstalten.
Die langjährige Praxiserfahrung aller Kunstlabore- Partner*innen bestätigt: Eine professionelle Präsentation wirkt sich auf die Wertschätzung und Sichtbarkeit der Schüler*innen und den Stolz auf die eigene Arbeit sehr positiv aus.
Die Form der Präsentation muss dafür angemessen sein und von den Schüler*innen mit getragen werden. Im Idealfall sind sie in den Entscheidungsprozess eingebunden. Eine Fotoausstellung über den Projektprozess, eine Lesung, eine Ausstellung der entstandenen Kunstobjekte im Schulraum oder eine Präsentation vor einer anderen Klasse im geschützten Rahmen kann ebenso wirksam sein, wie eine Aufführung auf einer großen Bühne mit öffentlichem Publikum.

Ein Beispiel dazu liefert das Kunstlabor Theater mit dem oben bereits vorgestellten Theaterprojekt mit geflüchteten Jugendlichen:

Beispielprojekt: Theaterarbeit mit geflüchteten Jugendlichen

In diesem Projekt waren die Gruppe und ihre Entscheidungen geprägt von einzelnen Schüler*innen, die große Angst vor Öffentlichkeit und einem großen Publikum hatten.
Die zum Theaterraum umfunktionierte Gymnastikhalle hatten die Jugendlichen über die Zeit als geschützten Raum angenommen. Das anleitende Team respektierte die Bedürfnisse der Schüler*innen und die gemeinsame Entscheidungsfindung führte dazu, dass die Ergebnisse in diesem Raum präsentiert wurden. Das Theaterteam fand dafür mit dem Werkstattformat den passenden künstlerischen Rahmen: Letztlich stellten die Jugendlichen ihr Stück im Theaterraum einer Parallelklasse vor.

Bis dahin war es ein langer Prozess, in dem immer wieder einige Jugendliche aussteigen und auf keinen Fall präsentieren wollten. Das angemessene Format ermöglichte es am Ende allen mitzumachen.

Gibt es Uneinigkeit unter den Schüler*innen, ob eine öffentliche Präsentation gewollt ist, können unterschiedliche Möglichkeiten der Mitwirkung eventuell weiterhelfen. Nicht jede*r muss auf der Bühne stehen oder sein Kunstwerk ausstellen. Auch hinter der Bühne braucht es viele mitarbeitende Hände oder für die Ausstellung der Kunstwerke müssen kleine Texte geschrieben oder der passende Raum organisiert werden.

Wertschätzung und Sichtbarkeit sind wichtige Argumente für die Präsentation und den gemeinsamen Abschluss des Projekts.
Aber auch für die Beziehung zwischen den Schüler*innen, Kunst- und Kulturschaffenden und Lehrer*innen ist das Zelebrieren dieses Endpunkts von Bedeutung. Wenn die Zusammenarbeit über einen längeren Zeitraum hinweg verläuft, entsteht oft ein Vertrauensverhältnis zwischen den Beteiligten, welches nach einem stimmigen Abschluss verlangt. Ein gemeinsames abschließendes Reflexionstreffen mit allen Beteiligten, in dem man den Arbeitsverlauf Revue passieren lässt, sich über positive Momente ebenso wie über die Schwierigkeiten und Herausforderungen austauscht, kann eine gute Gelegenheit dafür bieten und nebenbei Erkenntnisse für neue Konzeptionen liefern. Auch eine gemeinsame Feier kann ein Zeichen von Wertschätzung für alle sein und hilft beim Abschiednehmen.

Zusammenfassende Tipps für den Projektabschluss

Daran sollten Sie denken, wenn Sie Ihren Projektabschluss planen:

 

Bereits in der Planungsphase sollte geklärt werden, welche wichtigen internen Termine und Fristen es gibt.

  • Wer muss informiert werden und wer übernimmt die Kommunikation?
  • Gibt es schulinterne Termine, die berücksichtigt werden müssen bei der Festlegung eines Präsentations- und Abschlusstermins?
  • Lässt sich die Präsentation mit anderen Terminen, wie beispielsweise einem Schulfest verbinden?

Je früher innerhalb der Schule und gegebenenfalls darüber hinaus für die Abschlusspräsentation geworben werden kann, desto besser.
Einladungen an Schüler*innen, Lehrer*innen, Schulleitung und Eltern, Sponsoren, Förder*innen, Politik und Öffentlichkeit sollten frühzeitig ausgesprochen oder abgeschickt werden.

  • Soll es Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit geben, beispielsweise Pressemitteilungen oder Pressebesuche?
  • Wer ist dafür verantwortlich?
  • Wird bei der Präsentation Musik verwendet, die bei der GEMA gemeldet werden muss?

Soll das Produkt, beispielsweise ein erarbeitetes Video oder der Mitschnitt einer Aufführung am Ende online veröffentlicht werden, bietet es sich an, sogenannte GEMA-freie Musik mit einer „Creative Commons Lizenz“ zu verwenden, für die es im Internet eigene Plattformen zum kostenlosen Download gibt (beispielsweise über audeeyah.de). Oft ist hier lediglich zu beachten, dass die Interpret*innen mit Namen genannt werden müssen.

Soll es zum Abschluss eine Ausstellung geben, die Einblicke in die Arbeit gibt, muss dies frühzeitig eingeplant werden, damit geeignetes Fotomaterial oder auch andere Materialien und Zwischenergebnisse vorhanden sind, die Einblick in einzelne Prozessschritte geben können.

Ist das Ende erreicht, geht es um angemessene und gebührende Formen des Abschiednehmens und darum, Danksagungen auszusprechen. Es können enge Bindungen geknüpft und Vertrauensverhältnisse aufgebaut worden sein zwischen Kunst- und Kulturschaffenden und Schüler*innen. Dies sollte bei einem gemeinsamen Abschluss und Abschied berücksichtigt werden.

Mögliche Formate für eine Präsentation:

 

 

Ein Theaterstück, eine Choreografie oder ein Konzert wird in der Schule oder einem Theater präsentiert. Die potenzielle Magie einer Bühnenerfahrung kann den Schüler*innen als unvergessliches Erlebnis in Erinnerung bleiben.

Die Klasse lädt eine andere Schulklasse und/oder die Eltern zu einer offenen Stunde ein. Sie kann hier vor einem Publikum in einer Arbeitssituation agieren, ohne gleich den Anforderungen einer Bühnenaufführung gerecht werden zu müssen. Der Ablauf der Stunde kann vorher festgelegt und geprobt werden oder auch einfach im Hier und Jetzt stattfinden.

Eine Ausstellung kann sich sowohl auf die Präsentation der entstandenen Kunstwerke beziehen, als auch einen Einblick in Arbeits- und Entstehungsprozesse geben. Begleitet werden kann die Ausstellung auch durch Schüler*innen, die die Besucher*innen als Guides führen.

Auch Orte wie Museen, U-Bahnhöfe, Straßen oder Theaterfoyers können als Raum für Inszenierungen dienen. In diesem Fall greift die Präsentation die Besonderheit des Ortes auf und arbeitet mit dieser. Da es an solchen Orten meist keine klare Aufteilung zwischen Bühne und Publikum gibt, unterscheidet sich auch die Aufmerksamkeitsform des Publikums von einer klassischen Bühnenaufführung.

Dieses Gefühl von ‚Ich hab‘s geschafft, ich bin durch!‘ am Ende des Projekts hat mir soviel Freude gebracht, dass ich‘s gleich nochmal machen würde. Ich habe daraus auf jeden Fall viel Mut und Spaß mitgenommen.
Ein Schüler der Gesamtschule Bremen-Ost über seine Bühnenauftritte bei Konzerten und seine Mitwirkung in einer Stadtteil-Oper
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Warum die Beziehung zwischen Schüler*innen, Kunst- und Kulturschaffenden und Lehrer*innen so wichtig für die qualitätsvolle künstlerische Arbeit ist und welche Aspekte sie beeinflussen erfahren Sie hier

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