Wie im eigenen Atelier! – Offene Arbeit im Rahmen von Artist-in-Residence-Programmen
Künstlerisches Arbeiten wie im eigenen Atelier … – Wer träumt nicht davon?
Offene Arbeit im Rahmen eines Artist-in-Residence-Programms macht an Schulen genau dies möglich: Beim offenen – im Sinne von „nicht an den Unterricht gebundenen” – Arbeiten stehen die Impulse und Ideen der Schüler*innen im Mittelpunkt. Die Künstler*innen nehmen diese auf, bieten Hilfestellungen, geben Tipps und begleiten und unterstützen die Schüler*innen bei der Umsetzung ihrer Ideen.
Offenes Arbeiten bedeutet demnach auch, dass die Struktur, die Form, die Herangehensweise, die Materialien, Techniken und auch das Ergebnis zu Beginn des Arbeitsprozesses nicht unbedingt feststehen, sondern sich während des Tuns (weiter)entwickeln. Das Atelier wird zum Möglichkeitsraum mit eigenen Regeln und besonderen Freiheiten.
Das bringt Chancen und gewisse Bedingungen mit sich…
Offenes, prozessorientiertes Arbeiten im Rahmen eines Artist-in-Residence-Programms, bei dem die künstlerische Arbeit nicht an die Zeiten und Inhalte des Unterrichts oder eine konkrete Zielvorgabe gebunden ist
- Ausprobieren und Experimentieren mit Materialien und Ideen
- neue Herangehensweisen kennenlernen und testen
- Neugierde bei Schüler*innen und Lehrer*innen wecken
- individuelle Interessen und Fähigkeiten fördern
- einen offenen, kreativen und kontinuierlich nutzbaren Ort in der Schule schaffen
- Spaß in der Schule fördern
- alle, die Interesse und Zeit haben
- Schüler*innen aus verschiedenen Klassen und Jahrgängen, die parallel an eigenen oder zusammen an gemeinsamen Projekten arbeiten
- auch Lehrer*innen sind eingeladen
- im Atelier können die Schüler*innen mit den Künstler*innen als Begleiter*innen künstlerische Gestaltungsmittel in eigenen Prozessen frei anwenden
- sie erfassen dabei thematische Zusammenhänge und stellen sie mit unterschiedlichsten Methoden und Materialien dar
- sie setzen dabei Werkzeuge, Verfahren und Strategien sachgerecht und intrinsisch motiviert ein
- die Schüler*innen helfen sich gegenseitig
- sie messen sich am Gegenüber und wollen mit ihren Projekten schritthalten
- ihre Ausdauer und Beständigkeit entstehen durch intrinsische Motivation (z.B. Stop-Motion-Film „Transformers“)
- dabei erleben die Schüler*innen Freiheit in der Umsetzung von Themen aus ihrer Lebenswelt, fern von Lehrplänen
- sie lassen sich im Atelier als geschütztem, „notenfreien“ Raum zum ästhetischen Schaffen anregen
- die Schüler*innen lernen bei der Arbeit im Atelier Ideen durch selbstgestellte Aufgaben gestalterisch auszuführen
- sie treffen Entscheidungen hinsichtlich der Organisation und Durchführung von Arbeitsabläufen
- der Blickwinkel wird gemeinsam mit den Künstler*innen erweitert und die neugewonnene Perspektive zielgerichtet eingesetzt
- das freie Arbeiten setzt Kräfte für kritisches Denken, Assoziieren und „hinter die Dinge schauen“ frei
- denkbar von einzelnen Aktionen bis hin zu Projekten über mehrere Monate
- geeignet sind vor allem Pausen, Freistunden und die Zeit nach der Schule, sowie Projekttage oder Projektwochen
- Schüler*innen können können und dürfen auch unregelmäßig, je nach Bedarf und Motivation arbeiten
- es ist förderlich, wenn kein Zeitdruck herrscht
- Häufig arbeiten die Künstler*innen mit den Schüler*innen außerhalb des Unterrichts in diesem offenen Setting.
- Auch Lehrer*innen können sich beteiligen oder probeweise ein Projekt mit einem offenen Ansatz umsetzen.
- das Atelier: ein guter Ort für diese Form des Arbeitens, da die Materialien frei verfügbar sind und die sichtbaren, bereits entstandenen Werke, Versuchsanordnungen und Werkzeuge zu neuen Projekten und Ideen inspirieren können
- der Klassen- oder Fachraum: wenn eine offene Atmosphäre herrscht und ein individuelles Arbeiten ermöglicht wird
Ausprobieren, Verwerfen und Neudenken
Bei der offenen Arbeit steht die freiwillige Initiative der Schüler*innen im Vordergrund.
Die Motivation der Schüler*innen ist entscheidend für das Geschehen, für die Ideengenerierung und den Verlauf von Projekten.
Schüler*innen-Orientierung und Prozess-Orientierung haben einen besonderen Stellenwert bei dieser Form der Zusammenarbeit in der Schule. Durch gemeinsame Gespräche und Impulse von den Künstler*innen wird die Weiterentwicklung der Experimente und Versuchsanordnungen stetig lebendig gehalten. Gerade bei dieser Arbeitsweise geht es nicht zwangsläufig um die Produktion von Ergebnissen, sondern um das Ausprobieren, Verwerfen und Neudenken. Der offene Ausgang ist Bedingung.
In diesem Format findet häufig ein jahrgangsübergreifendes Lernen statt und die Schüler*innen unterstützen sich gegenseitig. So können auch einzelne Schüler*innen individuell gefördert werden. Sei es, weil sie besonders interessiert und neugierig sind, oder aber, weil sie die zusätzliche Förderung dabei unterstützt, mit anderen Gleichaltrigen Schritt zu halten.
Das offene Arbeiten im Atelier aus der Perspektive einer Schülerin
Ein gewöhnlicher Nachmittag im Atelier am Gymnasium Sedanstraße: Eine Schülerin gibt mit der Kamera einen Einblick ins Atelier, wodurch die vielfältigen Möglichkeiten und das bunte Treiben sichtbar werden. Schüler*innen arbeiten selbstbestimmt parallel an verschiedenen kleinen Projekten.
Wichtige Aspekte beim offenen Arbeiten
Bei dieser prozessorientierten, oft auch unfokussierten Arbeitsweise gibt es die Gelegenheit für Versuche, neue Entdeckungen und Unerwartetes. Das kann Freude machen, Fragen aufwerfen, bewegend, berührend und auch manchmal sehr anstrengend sein.
Die Rhythmen und Intensitäten des Arbeitens werden von den Schüler*innen selbst bestimmt. Es gibt kein zu erfüllendes Pensum, keinen Zwang etwas zu tun. Jede*r kann frei wählen, wann er/sie sich mit wem und was beschäftigt. Die (Mittags-)Pausen und die Zeit nach der Schule können ganz individuell genutzt werden.
Was das im Einzelfall bedeuten kann, zeigen die drei folgenden Beispielprojekte für offenes Arbeiten im Artist-in-Residence-Programm. Sie sind eng verbunden mit den Fragen:
- Welchen Einfluss hat Kontinuität auf das offene Arbeiten?
- Wie fördert offene Arbeit einen (oder mehrere) Perspektivwechsel bei den Beteiligten?
- Und zum Thema Zeitnutzung: Wie kann offenes Arbeiten Pausen bereichern?
Welchen Einfluss hat Kontinuität auf das offene Arbeiten?
Wie Kontinuität und Beständigkeit in der offenen Arbeit erzeugt werden können
– und warum sie essenziell für das Filmprojekt eines Fünftklässlers waren…
Obwohl sich offenes Arbeiten freimacht von Zeitplänen und -zielen, bietet ein gewisser Grad an Beständigkeit und Kontinuität Vorteile für alle Beteiligten: Haben die Schüler*innen beispielsweise die Möglichkeit, in einem eigenen, dafür ausgestatteten Raum – einem Atelier – an mehreren Tagen in der Woche offen zu arbeiten, schafft das eine gute Grundlage für die individuelle Auseinandersetzung mit Themen und Materialien. Projekte und Ideen können so über einen längeren Zeitraum reifen und wachsen, denn in einem Atelier steht alles Nötige zur Verfügung: Es gibt Zeit und Ruhe, sich mit einem Gedanken oder Material intensiv über einen längeren Zeitraum zu beschäftigen.
Die regelmäßige Anwesenheit der Künstler*innen im Atelier sorgt dabei für Vertrauen, Sicherheit und wichtige Impulse.
Um eine vertrauensvolle und offene Atmosphäre zu schaffen und den Raum, die vorhandenen Materialien, die vielfältigen Möglichkeiten und die freie Arbeitsweise zu „begreifen“, braucht es außerdem Zeit, Neugier und dann am besten eine Idee.
So können sogar sehr umfangreiche, langfristige Projekte umgesetzt werden, wie das Stop-Motion-Filmprojekt eines Schülers …
Beispielprojekt: TRANSFORMER
Zunächst spielte der Fünftklässler Jason mit seinen Freunden im Atelier nur mit seinen Spielzeugfiguren. Doch mithilfe der Stop-Motion-Filmtechnik lernte er, diese Figuren im Film zum Leben zu erwecken.
Die Filmtechnik erfordert eine langwierige Arbeit: Nach jedem Foto wird der Gegenstand und/oder die Kamera ein kleines Stückchen bewegt. Lässt man die Bilder dann schnell nacheinander abspielen, entsteht der Eindruck einer flüssigen Bewegung.
Der Schüler jedoch zeigte sich immer motivierter: An manchen Nachmittagen, die er nach der Schule im Atelier verbrachte, erzeugte er mehrere Hundert Bilder. Über Wochen hinweg entwickelte er Kulissen, Handlungen und Kameraeinstellungen – selbstständig, eifrig und konzentriert. Die offene Arbeit und kontinuierliche Öffnung des Ateliers mit seinen Materialien boten ihm den Rahmen dafür.
Das Ergebnis kann sich sehen lassen …
Wie fördert offene Arbeit einen (oder mehrere) Perspektivwechsel bei den Beteiligten?
Das Beispielprojekt BAZOOKA TRIFFT MALEWITSCH zeigt, wie ein unaufgeräumter Raum neue Projektideen hervorbringen kann …
Das Wechseln des Blickwinkels oder die Veränderung des Kontextes können neue Perspektiven eröffnen.
Diese Strategie nutzt nicht nur die Kunst, sie kann auch in kritischen Betrachtungen oder Diskussionen neue Aspekte hervorheben. Es geht auch darum, gedankliche Sprünge und Assoziationen zuzulassen, zu hinterfragen, genauer hinzusehen und nicht alles unbedingt sofort verstehen und begreifen zu wollen.
Oft gibt es mehr als nur einen Lösungsansatz und manchmal verbirgt sich etwas ganz anderes hinter den Dingen, als zunächst gedacht, wie das folgende Projekt zeigt …
Beispielprojekt: BAZOOKA TRIFFT MALEWITSCH
Wie wird aus Holz in Form einer Waffe eine konstruktivistische Skulptur?
Aus den Holzresten im Atelier bauten einige Jungen eigenständig L-förmige Verbindungen, die an Pistolen und Waffen erinnerten. Mithilfe von Säge, Bohrer und Dübel entstanden über dreißig Unikate aus Holzlatten. Die einfachen rechtwinkligen Holzverbindungen wurden mit Bedeutung aufgeladen: so wurden aus ihnen Pistolen, Maschinengewehre und Bazookas.
Im Atelier durften die Schüler*innen mit den Holzwaffen spielen – jedoch ausschließlich dort, denn in der Schule sind Waffen eigentlich tabu.
Eines Abends sah die Künstlerin Magdalena von Rudy die „Waffen“ auf einem Haufen liegen und assoziierte damit beim Betrachen eine konstruktivistische Skulptur. Eine Idee entstand …
Wie kann offenes Arbeiten Pausen bereichern?
Zeitfenster nutzen, Pausen machen. – Nicht immer braucht es für die offene künstlerische Arbeit ein Atelier und längere Zeiträume …
Die Pausen sind ein geradezu taktgebendes Element im Schulalltag. Sie sind extrem wichtig zur Regeneration und Erholung. Doch wie wird die Zeit zwischen den Unterrichtsstunden oder den Einheiten des Lernprozesses genutzt? Was macht eine gute Pause eigentlich aus?
Die Pause soll eine Auszeit sein, der Lernstoff soll losgelassen werden: Einfach mal den Kopf ordentlich durchlüften. Hierfür ist Bewegung, ein Ortswechsel und die Beschäftigung mit Dingen, die Spaß machen, oft sehr hilfreich.
Ein Projekt wie die DANCEBOX kann dabei helfen…
Beispielprojekt: DANCEBOX
Wie kann die Pause zur 3-Minuten-Party werden?
In der Pause zur eigenen Lieblingsmusik einfach mal ordentlich abfeiern und laut mitsingen, ohne dass man dabei beobachtet oder für verrückt erklärt wird? Wie wäre das? Die sogenannte Dancebox macht es möglich: Mit einer selbstgebauten Kiste in der Größe einer Telefonzelle kommt die Party in die Pausenhalle!
Nach anfänglich skeptischen Blicken schlossen nach und nach immer mehr Schüler*innen ihre Mobiltelefone an die Boxen an, um sich in der Box ausgelassen zu ihrer Musik zu bewegen und den Kopf einfach freizutanzen.
Wie lässt sich offene Arbeit an Schulen etablieren?
Um im Artist-in-Residence-Programm offen zu arbeiten, braucht es vor allem den Willen dazu, den Schüler*innen einen Ort und die Freiheit zur Entfaltung und Gestaltung ohne feste Ziele und Zeitrahmen zu geben.
Ideen kommen meist von den Schüler*innen selbst; als Hilfestellung kann aber auch das Spiel KlappKLAUS dienen, ein simples Werkzeug für die Entwicklung von künstlerischen Projektideen, gestaltet vom Kunstlabor KLAUS.
Wenn Sie vorhaben, an Ihrer Schule offen künstlerisch – und mit Künstler*innen – zu arbeiten, ist es ratsam, sich vorab folgende Fragen zu stellen und diese mit den Beteiligten zu klären:
- Welche Themen faszinieren die Schüler*innen an der Schule? Womit beschäftigen sie sich gerade?
- Welcher räumliche und zeitliche Rahmen kann geschaffen werden, in dem die Schüler*innen offen arbeiten können und Material und angefangene Projekte auch mal liegen bleiben dürfen?
- Welche Irritationen können im Schulalltag auftauchen? Wo kann mit kleinen Tabubrüchen gearbeitet werden?
- Werden Perspektivwechsel gefördert und verschiedene Sichtweisen zugelassen? Wo? Wie?
- Gibt es eine gemeinsame Reflexion und ein offenes Hinterfragen der Prozesse? Wie sieht dieses aus?
- Wie kann das individuelle und das kollektive Arbeiten miteinander kombiniert werden? Können sich zum Beispiel Ergebnisse aus der Einzelarbeit zu einem gemeinsamen Werk ergänzen? Oder können Teile einer gemeinsamen Arbeit aufgeteilt und individuell weiterverarbeitet werden?
- Welche Möglichkeiten und Angebote haben die Schüler*innen in den Pausen?
- Wie kann Spaß und Bewegung in die Pause integriert werden?
- An welchen Orten verbringen die Schüler*innen ihre Pause? Kann hier etwas Überraschendes passieren?
Hilfestellung und Downloadmaterial
Folgende Materialien dienen der Inspiration und können in offenen Arbeitssituationen nützlich sein.
… und wie können Künstler*innen Frei- und Zwischenräume in der Schule nutzen, um eigens entwickelte Projektideen und -formate umzusetzen, bei denen keine feste Eingliederung in den Lehrplan stattfindet, sondern die Kunst und freies Experimentieren im Vordergrund stehen?
Hier geht es weiter zum Kapitel „Freie Projektideen“ …
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Als Urheber zu nennen: Stefan Siebert